Erdling – Yggdrasil (CD-Kritik)

Erdling – Seit 2015 ist das Quartett um Nils „Neill“ Freiwald schon unterwegs und blickt dabei auf drei Top-100 Alben zurück, die Erdling den Weg auf große Festivalbühnen wie unter anderem das M’era Luna, Amphi Festival, Rockharz und Summer Breeze ebneten. Während die ersten Support-Tourneen mit Bands wie Lord of the Lost und Megaherz der Band schnell viel Aufmerksamkeit beschert hatten, katapultierte das Debüt- album „Aus den Tiefen“ die Erdling mit einem Top-100 Chart-Entry schnell aus dem Newcomer-Status heraus, was sich mit den Nachfolgeralben „Supernova“ und „Dämon“ schnell in Stein meißelte. Vom Erfolg motiviert und doch bodenständig geblieben, spielte die Band bereits zwei erfolgreichen Headliner-Tourneen mit ausverkauften Clubs. Mit dem nunmehr vierten Langspieler “Yggdrasil”, der im Januar erscheint, fokussieren sich Erdling auf ihre Stärken: hookige Refrains, treibende Gitarrenriffs und Texte, die auf dem neuen Album gar das Ausmaß einer Anklage an die Menschheit annehmen. (Quelle: Erdling)

„Yggdrasil“ – Ein Albumtitel, mit dem Erdling ein Versprechen ablegen: Es wird um einiges metallischer und härter, als wir es von der Band bis dato gewohnt waren. Denke ich zurück an den Vorgänger „Dämon“, zu dem ich seinerzeit schrieb, dass die Band sich langsam, aber sicher, in eine gute Richtung bewegt, muss ich beim Hören von „Hel (Intro)“ und „Blizzard“ bereits lächeln. Endlich haut die Truppe mal so richtig auf den Putz! „Blizzard“ gefällt mir jetzt schon besser als vieles, was die Band vorher so produziert hat. Hart, schnell, eingängig, NDH auf Steroiden. Dass die pure Faust in die Fresse der Band ausge- sprochen gut zu Angesicht steht, zeichnete sich schon auf „Dämon“ ab, umso mehr freut es mich, zu hören, dass dieser Pfad nun konsequent eingeschlagen wird.

Klar, mit Songtiteln wie „Wir sind Midgard“ oder „Im Namen der Krähe“ wird deutlich, dass die neu gefundenen Metal-Einflüsse zwar hier und da noch etwas plakativ ausfallen, dennoch ist ersterer, Anspielstation drei auf dem Album, ein lupenreiner Headbanger, der seine mit Schmutz beschmierten Hände eindeutig Richtung Wacken ausstreckt. „Im Namen der Krähe“ hingegen liefert einen schönen Mix aus arschkalter NDH, boshaften Metal-Riffs, den bisher oft schon positiv auffallenden Hymnen-Refrains der Band und natürlich den Vocals von niemand geringerem als Robse. Das ist genau das, was ich mir nach den Zeichen auf dem letzten Album für die Zukunft von Erdling gewünscht habe. Auch auf „Hundert Welten“ brettert die Gruppe so richtig los, es wird ausgesprochen episch. „Wir reiten mit den Walküren und kehren zurück, das haben wir uns geschworen“ – wen interessiert es, dass die Lyrik nicht unbedingt Innovation und Tiefgang schreit, wenn der Song absolut loslegt? Die zügigen Riffs, das herrliche Solo, der antreibende Drumbeat, die schönen Abwechslungen, die Höhen und Tiefen – es funktioniert einfach, es zündet, und es wird Moshpits geben. Was will man mehr?

„Am heiligen Hain“ ist ein unverkennbarer Erdling-Song und kombiniert die bisher besten Songs beziehungsweise Elemente der Band zu einer Nummer, bei der man mitgrölen will. Neill arbeitet mit allem, was so in seiner Stimme drinsteckt, und im letzten Drittel wird der Song dann noch einmal so richtig episch. Eingefleischte Metalheads würden hier vielleicht kritisieren, dass ebendiese Metal-Sounds und -Ideen ein wenig baukastenmäßig eingesetzt werden. Mag sein, aber es macht Laune. Dass die Fünf-Minuten-Nummer „Sturmfänger“ mit ein paar Symphonic-Metal-Orchestergraben-Sounds eingeleitet wird, kann man als klischeehaft betrachten, aber jetzt mal unter uns Pastorentöchtern: Neills Gesang klang selten so gut, die Musik noch nie so cineastisch, und ja, dann dürfen da auch mal Streicher aus der Dose rein, es ist egal, denn Erdling haben es geschafft, diese Klaviatur der düsteren Klänge so einzusetzen, dass es funkt, motiviert und fantastisch klingt. Zwischen- zeitlich erweckt es den Eindruck, als höre man hier nicht das vierte Werk einer Band, die jetzt endlich mal einen Sound gefunden hat, sondern als handle es sich hier um eine Gruppe, die nie etwas anderes gemacht hat. Diese Powerballade ist vielleicht die beste so genannte „ruhigere“ Nummer (auf diesen Track bezogen ist „ruhig“ vielleicht ein komisches Attribut), die die Band bisher vorgelegt hat.

Manchmal wird es zwar ein bisschen repetitiv – zum Beispiel auf „Blut und Erde“ – aber das verzeiht man relativ schnell, denn trotz der ein wenig ausgenutzten Bilder, derer sich hier bedient wird, kommen die Songtexte um einiges wortgewandter, bildreicher und etwas weniger phrasenhaft daher als bis dato von der Band gewohnt. Die Musik dazu – schön knackig, auf dieser Nummer hören wir darüber hinaus hier und da kleine Folk-Spielereien. Außerdem legt Neill einen sehr soliden Growl hin – kurz, aber er beweist, dass er seine Hausaufgaben gemacht hat. Den so mit der Stimmmuskulatur zu produzieren braucht Training. Vielleicht ist es gerade das, was einen an diesem Album freut – dass man der Band anmerkt, dass sie sich wirklich reinhängt in diese Musik, dass sie nicht einfach halbherzig ein paar Metal-Sounds hinklatschen, sondern durchaus ein Feuer für diese Härte in den Musikern brennt. Es wirkt ausgefeilt, Neill tobt sich mit der Stimme ordentlich aus. Auch auf „Grendel“ wird das ziemlich deutlich. Die Instrumente werden hier nicht gespielt, sondern regelrecht verprügelt, und Neill rotzt seine Vocals nur so raus, um dann im Refrain in seinen wirklich angenehmen Clean-Gesang überzugehen. Saubere Arbeit, wohin man hört.

Etwas überraschend hingegen ist es, wenn man auf so einer Platte auf einmal Chris Pohl hört. „Wölfe der Nacht“ jedoch beinhaltet die wohl beste Synthie-Arbeit der Platte, die elektrischen Sounds planieren hier auf jeden Fall den Weg für die brachialen Gitarren, und Chris gliedert sich mit seiner Strophe sehr passend in den Song ein, hat eine fast prophetische Wirkung, und obwohl sich Neill als besserer der beiden Sänger entpuppt, wirkt Chris hier keinesfalls fehl am Platz. Wenn dann mit dem Titeltrack „Yggdrasil“ wieder alles brettert, dampft und keucht, man diesem schön breiten Klang erliegt, zum großen Finale dieser Platte, nickt man einfach mit, feiert und freut sich. Christian Eichlinger hat mit Sicherheit in der Arbeit an diesem Album einen beachtlichen Bizeps aufgebaut, so, wie er da aufs Schlagzeug kloppt. Nach dreieinhalb Minuten wird es dann fast ein bisschen kitschig, aber leider geil, weil wahrhaftig. Ja, dass da jetzt ein Chor kommt, dass es jetzt noch einmal sehr Symphonic-Metal-lastig wird, das hat einfach seine Berechtigung. Ja, ein Album wie dieses darf so enden. Schön war’s.

Fazit: Die Arbeiten zu „Yggdrasil“ wurden bereits parallel zu „Dämon“ aufgenommen, und man merkt einfach, dass dieses Album ausgereifter ist. Während sich auf „Dämon“ der Metal-Sound bereits ankündigte, wirkt diese Platte rückblickend eher wie ein Über- gangswerk, das nun in diesem Elf-Song-Inferno mündete. Keine Frage: Dies ist das bisher beste Erdling-Album. Laut, schnell, und vor allem mit vollem Eifer dabei. Dass die zwei Alben teils parallel entstanden, sorgt vielleicht auch rückblickend dafür, dass der Vorgänger hier und da qualitativ ein wenig nach unten ausschlug – jedoch haben Erdling das hier eindeutig wettgemacht. Es kracht, es zischt, man singt mit, geht ab, headbangt, hüpft. Album vier ist endlich eine durchweg überzeugende, vor Kraft strotzende Platte einer Band, die die NDH zwar nicht verleugnet, jedoch endlich zeigt, dass sie mit voller Kraft nach mehr strebt. Dieses Album hat Biss, und zeugt vor allem davon, dass diese Band handwerklich absolut saubere Arbeit hinlegen kann. Dieses Album funktioniert und haut ordentlich rein. Willkommen, Jungs. Hier gehört ihr hin.

Tracklist:

01 Hel (Intro)
02 Blizzard
03 Wir sind Midgard
04 Hundert Welten
05 Am heiligen Hain
06 Im Namen der Krähe (feat. Robse Equilibrium)
07 Sturmfänger
08 Blut und Erde
09 Grendel
10 Wölfe der Nacht (feat. Chris Pohl)
11 Yggdrasil

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VÖ: 10. 01.2020
Genre: NDH/Metal
Label: Out Of Line

Erdling – Yggdrasil Tour 2020
+ Special Guest: Florian Grey, Circus of Fools

09.01.2020 Frankfurt am Main – Elfer Music Club
10.01.2020 München – Backstage
11.01.2020 Duisburg – Old Daddy’s
12.01.2020 Hamburg – Logo
16.01.2020 Hameln – Sumpfblume
17.01.2020 Dresden – Puschkin
18.01.2020 Erfurt – From Hell (ohne Circus of Fools)

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