Alphamay – Conformity (CD-Kritik)

AlphamayIch war noch nie in Osnabrück, aber auf den Bildern, die eine kurze Google-Suche einem ausspuckt, scheint das eine ziemlich schöne, weil irgendwie urige Stadt zu sein. Dasselbe könnte man über die Musik von Alphamay sagen: „Conformity“ bestreitet den Drahtseilakt zwischen Future-Pop und frühem Synthpop sowie Gothic-Rock-Gesang. Das Ziel heißt: Zeitlosigkeit.

Das gelingt teils durch dieses eigenwillige Soundbild, dieser Balanceakt zwischen Retro und Moderne ist besonders auf „Heir Of Eternity“ zu hören. Einen nicht zu unterschätzenden Teil tragen aber auch die teils sehr bildreichen Texte dazu bei, dass diese Platte eine ganz eigene Stimmung zu transportieren weiß. Konform ist, im Kontrast zum Titel, hier sehr wenig. Ein roter Faden der Obskurität zieht sich durch diese Platte, ohne dass unterwegs der Funke verloren geht. Der Sound der Platte schwankt zwischen Intellekt und Elektrizität, zwischen Wave-Gefühl und riesigen Maschinenräumen. „Conform Us“ schlägt hierbei besonders ins Ohr, erzeugt Spannung und behält gleichermaßen den Appeal.

Die Musik wirkt einerseits kompliziert anmutend, erscheint dann andererseits schon nahezu minimalistisch, und in der Gesamtheit somit avantgardistisch. Die Lyrics erzählen hierbei von der Konformität als Grundidee und Zuflucht trotz Zeiten des immanenten Wandels, verpackt in schöne, kleine Melodien, denen jedoch trotz ihrer Lieblichkeit („Caleidoscope“) immer dieses Gefühl der Abseitigkeit und der Melancholie, quasi dem genreprägenden Außenseitertum, in sich tragen. Diese Mischung gestaltet sich hochinter- essant und äußerst geschmackvoll, wirkt wie eine in gut verdauliche Stücke verpackte Bestandsaufnahme, ohne durch zu starken Situationsbezug auf lange Sicht an Aktualität zu verlieren. Auch hier: Zeitlosigkeit.

„Good Old Days“ steht irgendwo im Ur-EBM bis Industrial und arbeitet sehr überzeugend mit den beiden Stimmen von Alphamay: Henning Hammoor und Cris Frickenschmidt sind im regelmäßigen Wechsel zu hören, zwischen düsterem Gothic-Gesang und leichten Shouts. Und insbesondere „Mirror Moon“ wartet mit einer exzellenten Komposition auf: hier treffen Joy Division auf den klassischen Synthpop-Sound mit einigen dezenten Techno-Einschüben. Dieses Verbinden von Gegenstücken schlägt sich auch in den spannenden Lyrics des Songs wider: „We are lions, we are sheep – it makes our lives complete.“ Träumerei aus der Distanz. Dies mündet nun in „Praey“, einem Song mit 80er-Refrain und tiefgreifendem Sound, leicht technoid, und entsprechend atmosphärisch, satt und vielschichtig. Parallel dazu wird das Wortspiel, das den Titel bildet – „pray“, also beten, versus „prey“, die Beute – mit einem teils mehrdeutigen Text aufgebrochen. Der Song bildet das Finale dieser spannenden Platte, die den Hörer in eigenartiger Stimmung zurück- lässt. Man weiß nicht, ob man tanzen oder nachdenken möchte. Am besten tut man beides.

Fazit: Wer sich mit der Besprechung von Musik auseinandersetzt, tendiert dazu, das Gehörte einordnen zu wollen. Alphamay machen Rezensenten wie mir das mit dem alles anderen als konformen „Conformity“ nicht unbedingt leicht. Das Album zeigt sich als konstante Gratwanderung voller cleverer Ideen, das sich jeglicher Kategorisierung weitest- gehend zu entziehen weiß. Eigenwillig, und trotz gelegentlicher Sperrigkeit energetisch. Kein wildes Mischmasch, sondern vielmehr eine Symbiose. Hier kommen verschiedenste Einflüsse auf eine Weise zusammen, die ausgesprochen gut funktioniert. Auf den 13 Tracks finden sich hierbei keine Ausfälle, handwerklich exzellent aufeinander abgestimmt kommen die einzelnen Nummern hier zusammen, und sind, wie bereits innerhalb der ersten zwei Sätze dargestellt, gleichzeitig schön und urig zusammen. Tanzmusik, die sich einem gewissen Anspruch nicht verschließt, spannend bleibt und einiges liefert, das einer tiefergehenden Erkundung wert ist. Lässt man sich darauf ein, hat man mit „Conformity“ definitiv einiges zu entdecken. Ein sehr interessantes Werk.

Tracklist:

01 60 Centuries
02 Reach Out
03 Death Is Kind
04 Heir Of Eternity
05 Conform Us
06 Diorama Story
07 Caleidoscope
08 Silence Of The Youth
09 Follow Me
10 Afterglow
11 Good Old Days
12 Mirror Moon
13 Praey

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VÖ: 20.06.2020
Genre: Synthpop
Label: BATTERSEA

Alphamay im Web:

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