Scarlet Dorn – Queen Of Broken Dreams (CD-Kritik)

Scarlet DornKnapp eineinhalb Jahre sind vergangen, seit die vielversprechende Darkrock-Band Scarlet Dorn ihr zweites Album “Blood Red Bouquet” vorlegte – schon steht mit “Queen Of Broken Dreams” der nächste Longplayer der Gruppe rund um die famose gleichnamige Sängerin ins Haus. Wo Verletzlichkeit, Eleganz und Dominanz zusammentreffen, punktete Scarlet Dorn in der Vergangenheit am meisten – Songs wie „Hell Hath No Fury Like A Woman Scorned“ und „Proud And Strong“ gehören zum besten Material der Gruppe. Gleichsam stellte das zweite Album in gewisser Form auch eine Stag- nation dar. Wie schlägt sich nun Platte Nummer drei?

Der Einstieg mit „Falling“ gelingt schon einmal ganz hervorragend – kraftvoll, mit eingän- gigem „Ohoho“-Part und Headbanger-Potential gelingt der Opener reichlich episch und charakteristisch. Ebenfalls erwähnenswert: die sehr, sehr ordentliche Bridge. Dass Scarlet Dorn eine mehr als fähige Frontfrau ist, halte ich an diesem Punkt für ausreichend etabliert, und hier fühlt sich ihre Stimme voll und ganz zu Hause. „Born To Suffer“, die dritte von vier Vorab-Singles, bewegt sich eher in den Pop-Gefilden, gerät dann insbesondere im letzten Teil fast schon arena-rockig. Bei aller Radiotauglichkeit bleibt der Song lyrisch ein depressives Selbsteingeständnis: „When others fly high, I just crawl“ – samt Piano und Gitarrensolo drücken Scarlet Dorn durchaus auf die Pathos-Tube. Mir geht das Tearjerking dann hier doch schon fast einen kleinen Schritt zu weit.

Bedeutend geiler ist da schon der Titeltrack – „Queen Of Broken Dreams“ ist ein märchen- hafter Rocker, der ominöse Stimmung verbindet mit kraftvoller Attitüde: „I learned to fly, and I learned to fall, just never forgot to rise after all.“ Die „böse Königin“ wird bei Scarlet Dorn zur geschundenen Heldin, die wieder aufsteigt. Dieses Thema bleibt auch im schlichtweg famosen „Your Highness“, das mit dreckigen Blues-Rock-Riffs daherkommt. Scarlet giftet göttlich, arbeitet mit Vocal Fry, und klingt hier insgesamt wie eine einzige Machtinstanz. Dieser Song erinnert mich an Nummern wie „Snow Black“ und „Cinderella“ – und das heißt nur Gutes. Hier kommt alles zusammen, was ich an Scarlet Dorn liebe: epische Atmosphäre, finstere Eleganz, und eine fesselnde Dominanz.

„A Light That Blinds The Truth“ ist eine wunderbare Symphonic-Rock-Nummer mit Zeilen voller Andeutungen: „In the twisted grin lies the truth within.“ Auch musikalisch liegt in diesen herrlichen Riffs, in denen Piano und Gitarre sich synchronisieren, eine herrliche Verheißung. Im Refrain wächst und detoniert der Song, während Scarlet das Volumen ihrer Stimme zur Schau stellt. Kraftvoll und bauchig performt sie auch die Bridge. „Meteor“, die vierte Vorabsingle, etabliert sich derweil als das „Chasing Cars“ des Albums. Sanfter, verletzlicher, verträumter. Der Meteor ist hier eine Sternschnuppe: „You know what I wished for? I wished for you.“ Dieser romantische Feuerzeuge-raus-Song vom Glauben an die Magie, dass Wünsche wahr werden können, ist selbstverständlich kitschig und pathetisch. Hier wird natürlich tief in die Pop-Rock-Kiste gegriffen, es wird fast schon Gianna-Nannini-esk, aber auch das gehört bei Scarlet Dorn dazu. Sicher nicht der überzeugendste Song des Albums, aber als verliebtes Seufzen durchaus passabel und liebenswürdig.

Ebenfalls Bekanntes gibt es auf „Unstill Life“ zu hören. Ein Song, der wie die Antwort auf die Frage „Wie hört sich denn Scarlet Dorn so an?“ klingt. Hier verbinden sich eingängige Melodien, gediegene Mitnick-Rhythmen und ein paar sehr, sehr schöne Vocals. „When You See Me Again“ ist ein Piano-getriebener Soft-Rock-Song, der mit dezenten Synth-Drums arbeitet und wie das „traurigere“ Gegenstück zu „Meteor“ wirkt. So klingt „When You See Me Again“ gerade so, als würde dies die Solo-Ballade einer tragischen Heldin in einem Rock-Musical darstellen, und kommt über ein „ganz nett“ nicht wirklich hinaus. Auch lyrisch bleibt es dann leider doch etwas phrasenhaft: „If this is right, how can it feel so wrong?“

Besser gefällt dann doch die Power-Ballade „Love Wasn’t Made For Me“ – instrumental anspruchsvoller, mit kräftigem Refrain, und auch das Thema des Vorgängertracks wird hier lyrisch wirkungsvoller aufgegriffen: „Maybe it is destiny, maybe it’s not meant to be; I was made for love, unfortunately, love wasn’t made for me.“ Der Text arbeitet mit Gegensätzen und zieht ein bitteres Fazit. Der Song steht insgesamt auf einer klareren Position als sein ambivalen- terer Vorgänger, und trifft dadurch auch zielgenauer. „What Are We To Do“ ist eine ebenso finstere, hoffnungslose Reflexion über eine Beziehung, die auf dem Trockenen liegt. Erich Kästners „Sachliche Romanze“ fällt einem ein, während Scarlet Dorn die Protagonisten beschreibt, die schweigend im Restaurant sitzen und in ihren Kaffeetassen rühren. „Sie gingen ins kleinste Cafe am Ort und rührten in ihren Tassen. […] Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort, und konnten es einfach nicht fassen“, beschrieb Kästner es vor über neunzig Jahren. Bei Scarlet Dorn klingt es dann so: „Hey lover, what’s the quietness for? Have we both given up? Sitting in restaurants, mumbling, stirring cold coffee cups.“ Was diesen Song ausmacht, ist die Identifizierbarkeit – es klingt ehrlich, nachvollziehbar, und herzzerreißend endgültig.

Noch trauriger wird es auf „Tonight“, eine weitere Ballade über eine zerbrochene Liebe, im Laufe derer sich die Erzählerin jedoch nach und nach emanzipiert: „I’m not broken tonight, the truth is spoken tonight – You’ve sold a dream […] and I have awoken tonight“. Es klingt wie das Finale einer internen Geschichte, die sich im Album versteckt: Die Liebe erwacht, gerät in Komplikationen, endet in Kälte und mündet im Überstehen des Bruchs, so wie in der ersten Hälfte die Story einer wiederauferstandenen, ehemals gefallenen Kämpferin als Königin erzählt wird. Mit „A Million Miles Away“ wird es zum Ende noch einmal kosmisch – Weite und Tiefe sind Symbole des Texts („I’m longing for infinity“), aber auch das Instrumental klingt ausgesprochen flächig und orchestral. Auch hat man hier das Gefühl, dass Zeilen wie „Suddenly I was torn down by gravity“ den Bogen zum Opener „Falling“ schlagen. Die letzte Nummer des Albums kommt mit reichlich Grandezza und opulenter Inszenierung daher, und beendet mit Würde und Größe dieses sehr interessante Album.

Fazit: Scarlet Dorn sitzen auf Longplayer Nummer drei sehr sicher im Sattel. “Queen Of Broken Dreams” behandelt übergeordnet die großen bekannten Themen: Liebe, Fall und Aufstieg. Alle diese Themen werden sehr gekonnt eingewoben, dennoch bleibt mein persönlicher Wunsch, dass der Aufstieg noch etwas mehr Platz einnehmen könnte, leider nur partiell erfüllt – aber das ist mein persönlicher Bias, ich liebe Scarlet Dorn gerade dann besonders, wenn sie mit verruchter, gewachsener Boshaftigkeit zu Werke geht. Wenig überraschend ist deshalb „Your Highness“ mein Lieblingssong im Themenfeld des Aufstiegs. Was das Themenfeld des Falls angeht, bieten sich insbesondere Opener und Closer als Beispiele an – „Falling“ ist hierbei definitiv mein Favorit, ein schöner Kickstart, der alle Elemente eines guten Scarlet Dorn-Songs vereint. Der Liebessongs sind viele in der zweiten Hälfte der Platte, und sowohl die Zärtlichkeit und Schwärmerei von „Meteor“ als auch die erdrückende Ausweglosigkeit von „What Are We To Do“ haben sehr viel für sich. Sowohl solche hinreißenden Balladen als auch die starken, durchdringenden Rock-Nummern sind die Talente dieser Gruppe, beides können sie absolut meisterlich umsetzen. Doch gerade auf ersterem Feld arbeiten sie sich hier dann doch ein wenig zu viel ab, sodass einzelne Songs dann mal weniger eindrucksvoll gelingen. In der zweiten Hälfte aufeinanderfolgend vier Titel zu haben, die sich alle im Großen und Ganzen in dieselbe Richtung bewegen, nimmt dem einzelnen Song ein wenig die Kraft. Hier wäre mehr Mut zur Abwechslung dem Genuss der Musik äußerst zuträglich. Alles in allem liegt mit “Queen Of Broken Dreams” ein weiteres hochkompetentes Dark-Rock-Album aus der Feder von Scarlet Dorn vor, das zwar oft erwartbar, aber ebenso oft meisterlich ist, und die Power dieser Band weiterhin manifestiert.

Tracklist:

01 Falling
02 Born To Suffer
03 Queen Of Broken Dreams
04 Your Highness
05 A Light That Blinds The Truth
06 Meteor
07 Unstill Life
08 When You See Me Again
09 Love Wasn’t Made For Me
10 What Are We To Do
11 Tonight
12 A Million Miles Away

Kaufen: Amazon

VÖ: 30. 09.2022
Genre: Dark Rock
Label: SPV

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