Scarlet Dorn – Blood Red Bouquet (CD-Kritik)

Scarlet Dorn melden sich mit neuem Material zurück. 2016 zum ersten Mal als Feature-Gast mit dem Lord Of The Lost-Song „Black Oxide“ in Erscheinung getreten, trat Sängerin Scarlet mit Ihrer Gruppe in den folgenden Monaten und Jahren unaufhaltsam immer wieder auf den Spielplan der dunklen Musikszene. Nicht nur durch die Veröffentlichung ihres Debütalbums ‘Lack Of Light’ (2018), mit dem sich Band schneller als erwartet etablierte, sondern auch durch die unentwegten Tourneen als Support-Act für Bands wie unter anderem Lord Of The Lost, Joachim Witt, Letzte Instanz und sogar Within Temptation. Zweieinhalb Jahre nach dem Debüt legen Scarlet Dorn nun ihr neues Album mit dem brillant klingenden Titel ‘Blood Red Bouquet’ (29.01.2021) vor.

„It burns like fire in your heart“ – mit diesen Worten wird ohne viel Getue und langen Intros schon mal das Feld bestellt. Die Anwärterin auf die Position der Grande Dame of Dark Rock ist zurück, und beweist zusammen mit ihrer Band wieder Energie und Ehrgeiz. Die Energie springt aber nicht sofort vollständig über. Während die Frontfrau sich stimmlich auf dem musikalisch einwandfreien „Scorched By A Flame So Dark“ scheinbar nicht ganz aus sich raus traut, eher mit dem tieferen Register arbeitet und ihre vokale Bandbreite nicht wirklich anbringt, wird dies auf „Back To The Ground“ sofort wettgemacht. Eine fast schon Symphonic-Metal-geprägte Ballade mit ordentlich Piano, epischer Stimmung und großartigen Vocals garniert, die eine Doro Pesch nicht besser hätte intonieren können – genial!

Mit ihrem ersten Album versprach die Band, dass sie mit Scarlet als Sängerin und fan- tastischen Musikern an allem weiteren, was fabelhaften Krach produziert, hohe Ziele haben. Dieses Versprechen gilt es nun, auf Album Nummer zwei einzuhalten. Den Willen, dieses Versprechen einzuhalten, zeigt „Proud And Strong“. Hier gesellt sich kein Geringerer als Sven Friedrich nicht nur gesanglich dazu, auch das Instrumental erhält einen leichten Synthpop-Einschlag, bis die Gitarren mit einem großartigen und endlos eingängigen Riff einsteigen. Mit Biss und Strahlkraft kommt dieser Song mit einem gewissen Überra- schungsmoment, und das steht ihm ausgezeichnet. Scarlet brilliert, besonders gemeinsam klingen die beiden fantastisch – und im Refrain geht es dann richtig ab. Ein absolut powervolles Duett, voller instrumentaler Stärke und toller Performance beider Künstler. Das wäre eine viel bessere Leadsingle gewesen als das zwar wirklich schöne, aber weniger innovative „Scorched By A Flame So Dark“.

Gleich nach diesem Brecher geht die Band wieder einen Schritt zurück und liefert mit „Love Has No Colour But Love“ eine weitere Powerballade, die hier und da zwar ein bisschen kitschig gerät, doch mit Scarlets tollem Gesang darf Dark Rock auch mal ein bisschen Light sein. Mit „One Day“ folgt eine sehr angespannte und überraschende Nummer – diese Gesangsmelodie ist sehr eigenartig, und wundervoll. Scarlet zieht alle Register und schafft Bemerkenswertes, doch ein bisschen vermisst man die Attitüde, vor der das erste Album nur so strotzte, ein kleines Bisschen. Die Instrumentals sind lupenrein, handwerklich einwand- frei, doch der Biss kommt auch auf „Hope Is Here“ nicht so wirklich raus.

Auf ‘Blood Red Bouquet’ orientieren sich Scarlet und Band mehr noch als auf dem ersten Album an den seichteren Momenten des Symphonic Metals. Das machen sie ganz wunderbar, die Besetzung an den Instrumenten ist über jeden Zweifel erhaben und Scarlet selbst ist eine brillante Sängerin, doch so richtig aus dem Quark kommt die Band erst wieder auf „I Suffocate“ und „Are You Watching Me“. Beide weisen ordentlich musikalische Attitüde auf, und besonders Letzterer ist schon rein textlich ein wohldosierter Arschtritt. Das Instrumental ist darüber hinaus mit leichtem Country-Pop-Einschlag wundervoll irritierend, die Bridge wird von Scarlet fast schon gerappt, bevor es im Refrain dann mal wieder so richtig knallt.

Auch „True Love Is Mad“ lässt nichts anbrennen: Was am Anfang besonders durch die großartige Melodie der Strophe noch klingt wie ein verdammt guter Disney-Song, wird im Refrain laut, drängend und unglaublich metallisch – selbst der „Lalala“-Part, der für viele andere Songs anderer Bands ein Todesurteil wäre, bekommt dem Song ausgezeichnet. Die finstere Märchenhaftigkeit, die sich auf dem ersten Album mit den großartigen Songs „Cinderella“ oder „Snow Black“ andeutete, wird hier völlig internalisiert. Und das passt fabelhaft – schon das Cover ist eine Schneewitchen-Referenz.

„Forests“ wiederum ist eine unglaublich atmosphärische Dark Rock-Nummer, wie sie auch Mono Inc. wunderbar zu Angesicht stünde. Das Instrumental erzeugt so viel Stimmung und Schönheit, und Scarlet garniert dies mit hauchendem Storytelling. Hingegen „My Bionic Misery“ ist dann hier und da doch fast ein bisschen zu Stadion-rockig. Der Refrain reißt das zwar ein bisschen raus, aber da höre ich doch lieber „Loss Of Gravity“, eine rein akustische Ballade, auf der Scarlet ihre brillante Stimme ordentlich spielen lassen darf. Diese Reduktion steht ihr fabelhaft. Doch muss ich sagen – leider ist es ein bisschen schade, wie monothema- tisch dieses Album häufig wird. Die von der Liebe gezeichneten Bilder auf diesem Album kratzen zu oft am Typischen, und so gut die Songs auch gemacht sind, wie fabelhaft sie auch gesungen und produziert wurden – sie wirken nicht so richtig definierend für das, was Scarlet Dorn ausmachen könnte.

Mit „Until The Waters Run Dry“ wird ‘Blood Red Bouquet’ durch einen Song beschlossen, der sehr an den Opener erinnert. Ähnlich wie auch bei „Scorched“ habe ich hier das Gefühl, dass Scarlet sich gesanglich weniger zutraut als auf dem Rest der Platte. Und ein bisschen bezeichnend ist es, dass dieses Album von diesen zwei sich recht ähnlichen Songs eingerahmt wird – sie zeigen repräsentativ, wie ungeheuer viel Scarlet Dorn können, aber man hat irgendwie das Gefühl, dass der Fuß zwar schon in der Luft schwebt, die Band sich aber doch nicht so recht traut, wirklich den Schritt nach vorne zu gehen. Es scheint manchmal, als fehle ihnen das Selbstbewusstsein dazu. Und für fehlendes Selbstbewusstsein habe ich bei Scarlet fucking Dorn nicht wirklich Verständnis.

Fazit: ‘Blood Red Bouquet’ ist in seinen starken Momenten absolut fantastisch und übertrifft das von mir vergötterte Debütalbum mit Songs wie „Proud And Strong“ und „Back To The Ground“. Darüber hinaus hört man hier wirklich, wirklich gute Musik. Es gibt qualitativ sehr wenig zu beanstanden, besonders mit ihren Vocals traut sich Scarlet hier vielerorts mehr als noch auf Album Nummer eins. Nur fehlt leider häufig ein wenig der Druck. Ein auf Balladen fokussiertes Album zu machen, ist ja gar kein Problem, aber hier wird sich leider etwas zu oft wiederholt, und obwohl es immer wieder kleine Momente toller Melodien und instrumentaler Einfälle gibt, denkt man nicht so wirklich: „Jawoll, DAS ist Scarlet Dorn“.

Besonders auf einem zweiten Album ist es für eine Band in meinen Augen wichtig, ein gewisses Profil zu beweisen. ‘Blood Red Bouquet’ wirkt überaus arriviert, aber mehr wie ein sechstes als wie ein zweites Album. Im ersten Satz dieser Review schrieb ich, das Feld sei bestellt. Und das ist es auf diesem Album tatsächlich. Das ist auch völlig okay, es ist gut in dem, was es tut – aber was es tut, ist ein Crowdpleaser zu sein. Das ist alles andere als verboten, und eine Band, die weiß, was ihre Hörerschaft will, ist besser als eine Band, die unter dem Mantel des Experimentellen schlechte Musik macht. Ich liebe Scarlet Dorn sehr, und finde auch dieses Album sehr gelungen, die Kompositionen stehen außerhalb jeder möglichen Beanstandung und sind lupenreine Produktionen. Aber ich hätte mir ein kleines bisschen mehr Spielfreude erhofft, mehr Profil, mehr Ecken und Kanten.

„Proud And Strong“, definitiv der stärkste Song auf der Platte, zeigt, wie das klingen kann. Er beweist Standhaftigkeit, Identität und Biss, etliche andere Titel zeigen Scarlets unfassbares Potential als Sängerin. Die Band darf und sollte sich damit noch so viel mehr trauen, es wäre zutiefst bedauerlich, wenn eine Gruppe mit diesen exorbitanten Qualitäten hier jetzt stehenbleiben würde. Es ist, wie gesagt, ein wirklich gutes Album zwischen Dark Rock, Symphonic Metal und einer Dosis Pop – nur ein bisschen typisch und mit zu wenig Mut zum Vorpreschen. Das Selbstbewusstsein kommt zu kurz. Aber gerade Scarlet Dorn traue ich es zu, mich wieder vom Hocker zu hauen, wie sie es mit ihrem ersten Album und an manchen Stellen auch mit diesem konnten. Ich bleibe dabei – von dieser Band werden wir noch Großes hören. Vielleicht kann ‘Blood Red Bouquet’ dazu immerhin den Weg ebnen.

Tracklist:

01 Scorched By A Flame So Dark
02 Back To The Ground
03 Proud And Strong (feat. Sven Friedrich)
04 Love Has No Colour But Love
05 One Day
06 Hope Is Here
07 I Suffocate
08 Are You Watching Me
09 True Love Is Mad
10 Forests
11 My Bionic Misery
12 Until The Waters Run Dry

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VÖ: 29.01.2021
Genre: Dark Rock
Label: Oblivion

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