Golden Apes – Kasbek (CD-Kritik)

Zwanzig Jahre zogen seit „The Outside’s Inner Life“, der Debüt-EP der Golden Apes, ins Land. Nun ist der neunte Longplayer der Berliner erschienen. Benannt nach einem Berg im Kaukasus erklomm die Band diese Hürde, die Produktion des Albums „Kasbek“ mit der Hilfe der Fans, die die Aufnahmen via Crowdfunding produzierten. Das Ergebnis sind zwölf Songs mit über einer Stunde Spielzeit. Erleben wir in dieser Zeit den Gipfelsturm der Band oder ist dieses Album ein Erdrutsch, der die Apes herniederrafft? Spoiler Alert: Es ist Gott sei Dank Ersteres.

Der Einstieg gelingt mit dem wie einem Filmsoundtrack entnommen klingenden „Oblivion“ fabelhaft. Sechs Minuten lang wird hier ein großartiges Intro kreiert. Die Toms und Snares werden verdroschen und verkünden Großes, Gitarren und Piano mischen sich, bis nach fast vier Minuten der Bass einen herrlichen Groove beimischt. All das klingt weitläufig, eröffnend, episch. „Vento“ bewegt sich dann im Midtempo-Bereich mit halligen Gitarren, die in ihrem Reverb träumerisch bis trunken klingen. Die Schwere erhält den Einzug in unsere heutige Bergbesteigung.

Der Titeltrack „Kasbek“ serviert uns einen typischen Post-Punk-Bass mit einigen Synthie-Akzenten und natürlich der Stimme von Peer Lebrecht, die fast so klingt, als habe man die von Andrew Eldritch nochmal ein wenig tiefer gepitcht. Gefolgt wird der Song mit „Deliverance“, das den Geist der Größten, Bauhaus und Joy Division, atmet und ausstrahlt. „Voykova (The Healing)“ beginnt mit einem kurzen Akustikgitarre-Intro, dann kommen die Drums ins Spiel, und diese klingen wieder herrlich oldschool. Die Musik wirft einen großen Schatten voraus, sie klingt nicht platt, sondern tiefgehend und dreidimen- sional. „I’m falling downwards to the sky“ – mit diesen Worten, halb vorgetragen, halb gesungen, beginnt der enorm beeindruckende Folgesong „Clouds‘ Silver Lining“. Der Song nimmt jegliches Tempo raus und webt zusätzlich zum echoreichen Klang der Gitarren noch ein paar hintergründige, hallige Streicher ein. Atmosphäre pur. Die Steigerung ist langsam, aber stetig. Wie ein gutes Stück Orchestermusik baut es sich immer weiter auf, wird immer größer, mächtiger, vor allem aber schöner.

Für den siebten Track, „Dust & Dew“, holt sich die Berliner Band Unterstützung aus Kanada. Die Sängerin Shannon Hemmet veredelt den Song mit ihrer einnehmenden, faszinierenden Stimme. Der nächste Song eröffnet mit atmenden Synthesizern. „Sleep“ überzeugt durch ein ziemlich schönes, elektronisches Intro. Nach etwa einer Minute geht dieser Song dann wirklich los. Es bleibt bei der bisher wunderbar funktionierenden Formel des Albums: träumerischer, atmosphärischer Gothic Rock. Am Ende fällt der Song wieder in sich zusammen und wir befinden uns wieder in den elektronischen Zwischenwelten ohne jegliche Perfektion. Eine schöne Abrundung.

„Interference“ ist ein weiterer Song, der die Sechs-Minuten-Marke sprengt. Hier fühlt man sich sehr an The Cure erinnert, dennoch ist es nicht nur Peers Stimme, die der Nummer einen eigenen Twist und eine individuelle Note gibt. Besonders schön: Der C-Teil, der nach fast vier Minuten einsetzt und hauptsächlich von Piano, Synth und Streichern getragen wird, bevor zurückhaltende Gitarren und Bass in die Strophe überleiten. „Morbus Me“ ist voll und ganz Post-Punk, und „Home“ wartet mit einigen Chören und langsamerem Tempo auf. Es ist zwar erst der vorletzte Song der Platte, dennoch wohnt ihm etwas Abschließ- endes inne, etwas Rückblickendes, wie ein Song, der den Abspann eines Films untermalt. Die Gitarre schlägt ein paar zarte Töne an, Echos und sphärische Klänge umschweben ruhige Drums, und Peer trägt ein Gedicht vor. Nach eineinhalb Minuten dann beginnt der eigentliche Gesang. „Parting“ heißt dieser Song, das fünfeinhalb Minuten lange Outro zu „Kasbek“ und ist ein wunderbar träumerischer Closer, beruhigend und tiefgreifend.

Fazit: Mit 62 Minuten Laufzeit lassen die Golden Apes den Songs auf „Kasbek“ Zeit, sich zu entfalten. Eine den Hörer umwebende Atmosphäre dominiert die zwölf Songs zwischen Oldschool-Post Punk und Eigenwilligkeit. Mancherorts wird diese Platte schon als bestes Album der Band gehandelt, und das nicht zu Unrecht.

Tracklist:

01 Oblivion
02 Vento
03 Kasbek
04 Deliverance
05 Voykova (The Healing)
06 Clouds‘ Silver Lining
07 Dust And Dew (featuring Shannon Hemmett)
08 Sleep
09 Interference
10 Morbus Me
11 Home
12 Parting

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VÖ: 07.06.2019
Genre: Gothic Rock/Post Punk
Label: Aenaos Records (Altone Distribution)

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