Diorama: Interview zum neuen Album `Tiny Missing Fragments`

Diorama
Foto: Thomas Wuhrer

DIORAMA sind back! Seit der Gründung im Jahr 1996 haben die Reutlinger nicht nur zahlreiche Konzerte und Festivals weltweit gespielt, sondern gelten auch als eine der innovativsten Instanzen der düsteren Musikszene. Vier Jahre nach dem letzten Output ‘Zero Soldier Army´ (2016) melden sich die Dark Wave-Avantgardisten nun mit ihrem zehnten Studioalbum ‘Tiny Missing Fragments´ zurück. Im Rahmen der Veröffentlichung konnten wir Mastermind Torben Wendt für ein Interview gewinnen und einige Fragen zum neuen Album ‘Tiny Missing Fragments´ stellen.

01. ‘Tiny Missing Fragments´ besticht durch einen sehr verspielten Sound, der sehr stark durch Atmosphäre getrieben wird. Habt ihr euch bei der Arbeit an der Platte ein spezielles Ziel gesetzt, eine Art Modus Operandi?

Torben: Neben anderen Dingen hatten wir schon vor, verspielte, frickelige Beatstukturen und Atmos zu bauen. Dass das Ganze teilweise in so detailversessene und zerklüfte Arran- gements ausgeartet ist, hat uns selbst überrascht. Aber wir fanden es geil, immer weiter in diese expetrimentellen Klangwelten abzutauchen.

02. Die Platte ist jedenfalls sehr ambitioniert und sauspannend, mit sehr eigenartiger Energie. Wie wichtig ist dieser innovative Geist für euch?

Torben: Es gibt eine Art Selbstverpflichtung, alles was wir als abgedroschen empfinden zu vermeiden. Andererseits genießen wir es auch, in die sperrigen Klanggerüste straighte melodiösen Passagen einzuhängen und nicht nur rumzuspinnen – wir stammen ja aus einer eher traditionell geprägen Singer/Songwriter-Ecke. Die Mischung macht es.

03. Das Album hat sehr viel Bezug zur aktuellen Geschichte – von einem Song über Charles de Gaulle bis hin zu „iIsland“ als Antwort auf moderne Technologien (iPhone). In „Patchwork“ kommt es zu der Zeile „I spent my lifetime looking like you“ – Welche Rolle spielt das Finden eines Platzes in der aktuellen Zeit auf diesem Album?

Torben: Dieses Motiv zieht sich eigentlich wie ein roter Faden durch unser gesamtes bisheriges Material. Besagten Platz zu suchen, nicht zu finden, dann doch zu finden, gleich darauf wieder zu hinterfragen, diese Rastlosigkeit, fehlende Identifikation, die vorbeige- flogenen nicht mehr zu erreichenden Träume, der Widerstreit zwischen bürgerlichem Familienmensch und freischaffendem Lebenskünstler, das Anpassen an – aber immer Querliegen mit – Trends wie der digitalisierten Schnelllebigkeit, die Sucht nach Dingen, die einen am Ende nicht glücklicher machen etc. Die letzten 4 Jahre waren in diesem Zusammenhang sehr prägend. Auf der politischen und gesellschaftlichen Ebene sind erdrutschartige Verschiebungen passiert, die natürlich nicht spurlos an einem selbst vor- übergehen und an dem Lebenssüppchen, das man sich irgendwo in seiner Doppelhaushälfte zusammenkocht.

04. Das Artwork zeigt uns einige exklusive Werke des Künstlers Faizki, der seine Kunst als „psycho-geographisch“ beschreibt. Das Cover von ‘Tiny Missing Fragments´ mutet einer- seits kosmisch an, spielt andererseits mit Dornen als Symbol – welches Gefühl soll hier ausgelöst werden?

Torben: Wir sprechen von der Fragmenthaftigkeit der Welt. Die findet sich bekanntlich im ganz kleinen subatomaren Bereich und natürlich auch im Kosmos. Auseinandergerissene Partikel, die irgendwie umeinanderkreisen und interagieren oder völlig unbeeindruckt voneinander ihre weit entfernten Bahnen ziehen. Und am Horizont wartet das Nichts. Die Dornenmaske war der Einfall unseres Grafikers User. Ich fand die Idee gut, etwas orga- nisches zu dem Grafikkonzept zu ergänzen. Sozusagen als „Hier und Jetzt“-Ebene.

05. Die Musik hat ja auch einige sehr meditative Elemente, die dieses kosmische Gefühl sehr gut widerspiegeln: Die Weite, die Tiefe, und auch die Einsamkeit. Wie schafft man Sounds, die so etwas produzieren können?

Torben: Am besten versetzt man sich selbst in Schwingung. 🙂 Und dann braucht es viel Zeit und ein paar gute Hall-Effekte.

06. „Charles De Gaulle“ hat teils diesen Charakter einer kleinen Oper in sich, hier scheint nur durch die Musik eine Geschichte erzählt zu werden. Was ist so faszinierend an dieser Figur Charles de Gaulle?

Torben: Es gibt schon gewisse Assoziationen im Text zu einer weltpolitischen Figur. Das hätte aber auch Cäsar sein können, Napoleon oder Trump. Eigentlich war „Charles de Gaulle“ schlicht der Arbeitstitel. Und wir dachten irgendwann: wenn die Gorillaz „Clint Eastwood“ dürfen, dann dürfen wir „Charles de Gaulle“.

07. Mit ‘Tiny Missing Fragments´ legt ihr euer zehntes Studioalbum vor. In eurer über zwanzigjährigen Geschichte habt ihr es immer wieder geschafft, zu überzeugen, und euch nicht auf der Stelle zu bewegen. Wie erhält man ein solches Niveau aufrecht?

Torben: Wir waren eigentlich immer offen für neue Einflüsse und haben permanent dazu- gelernt, auch produktionstechnisch. Darüber hinaus ist unsere Musik sehr eng verwoben mit unserer eigenen Geschichte, den Dingen, die wir erleben, den in der jeweiligen Zeit vorherrschenden Gedanken und Vorlieben. Alleine dadurch ist konstante Veränderung drin.

08. Wie vielen anderen Künstlern hat euch die aktuelle Epidemie um ein paar Liveauftritte beraubt. Jetzt spielt ihr demnächst im Circus Probst, zusammen mit M.I.N.E. Wie wird das aussehen?

Torben: Frag mich was leichteres. Stand heute gehe ich davon aus, dass wir auch zweimal hintereinander ran dürfen mit einer Nachmittags- und einer Abendshow, ähnlich wie Diary of Dreams vor ein paar Tagen. Aber: Bands und Besucher sind die letzten Glieder in der Kette und müssen insofern schauen, was am Ende möglich ist. Im Rahmen dessen werden wir unser bestes geben.

09. In einer Zeit der schlechten Nachrichten: Worauf freut ihr euch in den nächsten Wochen und Monaten?

Torben: Ich habe seit Monaten diverse persönliche Vorhaben schleifen lassen, um mich voll und ganz dem neuen Album widmen zu können. Das ist ja normal, wenn man sich mit Haut und Haaren einem Thema verschreibt. Und Corona war eine heftige Belastung on top. Jetzt, wo viel erreicht ist und die Zeit kommt, einmal durchzuatmen, freue ich mich aufs Nach- holen. Vielleicht schaffe ich es ja mal ins Kino, wo dann wahrscheinlich nur Quatsch läuft, was mir aber egal sein wird.

Livetermine 2020/2021/2022

07.11.2020 Gelsenkirchen, Circus Probst im Revierpark Nienhausen
29.05.2021 Oberhausen, Turbinenhalle – E-tropolis Festival 2021
07.08.2021 Hildesheim – M’era Luna Festival 2021
12.03.2022 Braunschweig, KufA – Dark Indie Electro Festival BS 2

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