Rummelsnuff – Äquatortaufe (CD-Kritik)

RummelsnuffRummelsnuff ist ein Phänomen – ein Muskelprotz, neben dessen Oberarm mancher Schädel erstaunlich klein aussieht, mit Kapitänsmütze und charakteristischem Stirnrunzeln, ein Bild von Männlichkeit, und doch so vor Ironie strotzend, dass es seinesgleichen sucht. Dann immer wieder scheint aber auch Zärtlichkeit durch, Bodenständigkeit, Fernweh, aber auch Ostalgie. Sein neues Studioalbum “Äquatortaufe” erzählt hierbei unter anderem vom „Berlinverbot“, mit dem zu Ostzeiten gern gedroht wurde, aber auch von der „Eior- schägge“, dem schmackhaften und proteinhaltigen Quarkkuchen aus Sachsen, vorgetragen natürlich im entsprechenden Duktus. Einziger kulinarisch-geographischer Diskurs: das hier besungene „Sauerkraut“ stammt nicht aus dem Spreewälder, sondern dem Westerwald.

Besagtes Stück profitiert übrigens insbesondere von zwei Faktoren: einerseits dem nahezu a capella gesungenen Gesang im Duett mit Asbach, dessen helleres, klareres Organ des Käptns tiefes Brummen famos ergänzt, andererseits dem einzigen hier auftretenden Instrument, dem Fagott. Von Rummelsnuff in Jugendjahren erlernt und sogar im Orchester verwendet, wird besagtes Instrument hier noch einmal aus dem Koffer geholt, um vor allem die verdauungstreibende Wirkung des Sauerkrauts phonetisch umzusetzen.

Ansonsten ist dieses Album nahezu durch und durch das, was man sich unter „Derber Strommusik“, so die musikalische Selbstbezeichnung, vorstellt. Zwischen Minimal Techno und traditioneller Instrumentierung von Volkslied bis Shanty, dazu comichaft überzeichnete Bilder von Muskelaufbau („Kreuzheben“), gestählten Körpern, Maschinenfaszination (auf „Gelber Drachen“ wird die Berliner U-Bahn besungen) und „echten Männern“ von der „Feuerwehr“ oder der „Müllabfuhr“. Was durch seinen teils martialisch wirkenden Charakter von außen übermaskulin („Vater“) oder gar deutschtümelnd aussehen könnte, wird von Rummelsnuff jedoch gemeistert, ohne dass es je unangenehm wird. Das ist eine extreme Gratwanderung, denn so etwas kann schnell kippen – der Käptn schafft es jedoch immer, das Augenzwinkern deutlich genug darzustellen. Ein wichtiger Faktor dafür ist auch Kollege Christian Asbach, der den Rummelsnuff-Sound erst komplett macht. Neben Rummelsnuffs Bass ist er der Tenor, der neben der Übergestalt des Käptns die Rolle des etwas bekloppten Sidekicks spielt. Das Duo brilliert insbesondere in den Musikvideos, in denen sie schon mimisch wie zwei realgewordene Comicfiguren aus einer anderen Welt erscheinen. Rummelsnuff legt die Stirn in Falten, Asbach reißt die Augen weit auf.

Es sind Momente wie die Seefahrerlieder oder das märchenhaft angehauchte „Wolf und Einhorn“, in denen die andere Seite zum Vorschein kommt. Gerade im Letzteren geht es um Dynamiken von Gut und Böse, den Druck durch Außenwahrnehmung – es klingt fast wie ein Schwesterstück zum „Oger“ vom letzten Album, auf dem ein schwerer Koloss mit weicher Seele beschrieben wird, riesenhaft, aber irgendwie auch unbeholfen. Hier geht es um den Wolf, dem es ziemt, dass man sich vor ihm fürchtet, und der sich das Filigrane und Wundersame des Einhorns wünscht. Und der Closer, das partiell französisch vorgetragene „Vacances“, beschreibt einen Urlaub mit Rummelsnuff und Freunden, auf dem natürlich viel Käse gegessen wird, von dem ein Stück im Auto verschwindet und dort schließlich als Duftbaum verbleibt. Irgendwie muss man diesen rustikalen Kerl schon lieb haben.

Fazit: Das Projekt Rummelsnuff scheint auf dem ersten Blick vollkommen sonderbar, doch lässt man sich erstmal darauf ein, lernt man es zu schätzen und zu feiern, wie deftige Hausmannskost. Auf “Äquatortaufe” ist das nicht anders. Diese Mischung aus fast DAF-mäßigem Elektro mit allerlei Kammerinstrumenten, die zwischen Nachkriegsschlager und modernen Dark-Club-Fegern oszilliert, ist ein ungeheuer unterhaltsamer Ritt voller Humor, kleinen Geschichten, und praktisch das, worin die Neue Deutsche Welle gipfelt. Eigentlich sitzt hier alles felsenfest. Die Dynamik zwischen den Protagonisten, der eigenwillige Sound, die durchkomponierte Ästhetik. Es webt sich alles zusammen im herrlichen Gesamtkunst- werk Rummelsnuff, und ist – vor allem – dabei nicht eine Sekunde langweilig. Einige besonders hörenswerte Anspielstationen: das „Sauerkraut“ und die „Eiorschägge“, der „Gelbe Drachen“ und „Wolf und Einhorn“.

Tracklist:

01 Gelber Drachen
02 Äquatortaufe
03 Bootsmann
04 Berlinverbot
05 Interkosmos
06 Kreuzheben
07 Eiorschägge
08 Berliner Forsten
09 Müllabfuhr
10 Wolf und Einhorn
11 Zeppelin
12 Feuerwehr
13 Vater
14 Sauerkraut
15 Landmann
16 Vacances

Kaufen: Amazon

VÖ: 30.07.2021
Genre: Derbe Strommusik
Label: Out Of Line

Rummelsnuff – Live 2021

30.07.2021 Leipzig, Felsenkeller Leipzig
31.07.2021 Dresden, Saloppe
20.08.2021 Bremen, Golden City Hafenbar
10.09.2021 Bremen, Kulturzentrum Lagerhaus
17.09.2021 Köln, EDP (Em drügge Pitter)
04.10.2021 Jena, Paradiesgarten
09.10.2021 Erfurt, Museumskeller

Rummelsnuff im Web:

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