Im Interview mit Frank Vohwinkel (Eule) von Betontod!

Mit „Vamos!“ erschien am 31. August 2018 in leuchtendem Pink das neue Studioalbum der Rheinberger, die auf eine beachtliche Karriere zurückblicken können. Einige Live- und Studioalben, über 1.000 gespielte Konzerte und ein eigenes Label. Harte Arbeit zahlt sich aus – als Band im Underground nur von einigen wenigen Fans wahrgenommen mauserten sich die Punkrocker zu einer der bekanntesten Punk- und Deutschrockbands unserer Zeit. Das Vorgängeralbum „Revolution“ schaffte es sogar auf Platz drei der Deutschen Album Charts. Eine sehr beeindruckende Biografie, in welcher mit „Vamos!“ das nächste Kapitel geschrieben wurde – denn Betontod sind noch lange nicht am Ziel und wir hoffen auf viele, unzählige weitere Jahre und mindestens 2.000 Konzerte.

Im Rahmen unseres Konzertbesuchs am 13.10.2018 in der Münchner TonHalle konnten wir Gitarrist Frank Vohwinkel (Eule) für ein Interview Gewinnen und ihm einige Fragen stellen – aber lest selbst:

Wollen wir mit einem traurigen Punkt anfangen? Sprechen wir kurz über Rocky. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ihn für das Musikvideo von „Boxer“ anzu- sprechen?

Rocky war der Boxer aus unserer Zeit. Wenn ich mich an Boxkämpfe aus meiner Jugend zurückerinnere, war Rocky immer präsent. Mit ihm konnte man sich am ehesten identifizieren. Alles, was danach gekommen ist, war schwierig. Allein, der Vergleich Rocky gegen Henry Maske, da waren wir immer ganz klar.uf Seiten von Rocky, das waren unvergessene Kämpfe. Die Idee zum Musikvideo war relativ schnell klar, dass wir in die Hamburger Ritze wollten, war auch klar. Zu diesem Club haben wir eine ganz spezielle Verbindung und wussten eben, dass da ein Boxstall im Keller ist. Dann brauchten wir nur noch jemand, der sich mit Meister in den Ring stellt – Rocky wäre ideal, dachten wir, also haben wir es probiert und nachgefragt. Er war super unkompliziert, er hat sich den Song angehört, sich wirklich mit der Band beschäftigt und war dann direkt Feuer und Flamme und hat wirklich Bock drauf gehabt. Eigentlich hätte er letzte Woche mit uns nach Berlin kommen sollen, aber das hat leider nicht mehr funktioniert.

Wie habt ihr von seinem Tod erfahren und wie ging es euch damit? Ihr hattet ja durch den Videodreh doch eine persönliche Bindung zu ihm.

Das ist schon schwierig, ich hatte dieses Jahr im Familienkreis den Fall, dass eine geliebte Person von uns gegangen ist, das ist natürlich nochmal eine andere Nummer, aber man weiß dann, wie schwierig es für die direkten Angehörigen ist. Er stand mitten im Leben, hat so viel erreicht – wahrscheinlich soviel erreicht wie sonst jemand in zwei Leben. Von daher kann man schon sagen er hat sein Leben gelebt, trotzdem ist er viel zu jung gestorben. Es ist einfach nur tragisch, wenn so etwas passiert, aber es ist ein Weckruf, so etwas kann jeden Tag passieren. Man sollte sein Leben wirklich Leben, bevor es vorbei ist.

Kommen wir zu eurem neuen Album Vamos!, auf dem auch eben angesprochener Song „Boxer“ zu finden ist. Jedes eurer Alben vermittelt eine Botschaft, was steckt hinter „Vamos!“?

Welche Botschaft findest du in den Alben? Hast du ein Beispiel?

Zum Beispiel Revolution vermittelt eine unfassbare Aufbruchstimmung. Wacht auf – Nehmt euer Leben in die Hand, wir können nur etwas erreichen, wenn wir zusammenstehen, und versuchen etwas zu ändern. Revolution ist ein Arschtritt an die Gesellschaft.

Gut, das es so rüber kommt, denn genau so war es auch gemeint. Denn im Moment tut sich sehr viel auf der Welt. Nicht nur in Deutschland, sondern überall. Vielleicht bekommt man das auch heutzutage erst durch die Medien so wirklich mit, aber es bewegt sich viel in eine Richtung, wo man denkt „Das ist nicht gut“. Zum Beispiel, hier in Bayern stehen ja morgen Wahlen an und es gibt eine große Masse an Menschen, die einfach nur mitlaufen. Klar gibt es aktuell nur Umfragewerte, aber die spiegeln das mögliche Ergebnis wieder, und wenn ich mir das anschaue, was das möglicherweise heißen wird, dann wird einem schon übel – denn wir hatten alle in der Schule Geschichtsunterricht. Man fragt sich immer, wie konnte so etwas früher passieren? Stichpunkt zum Beispiel, Weimarer Republik und irgendwie hat man gerade das Gefühl alles wiederholt sich und man will es am liebsten aufhalten.

Wir sind mittlerweile alle Familienväter, da überlegt man schon, was das für die eigenen Kinder bedeutet, dass man ihnen so eine zerrüttete Welt übergibt.

Ihr nehmt in einigen Eurer neuen Songs Bezug auf ältere Songs – indem Ihr manche Textzeilen erneut einbindet. Warum macht Ihr das, was ist Eure Intention?

Das ist für die Fans, denn sie wissen, um was es geht. Leute die neu zu uns kommen die können mit „Viva Punk“ vielleicht noch nicht so viel anfangen. Die, die schon länger dabei sind wissen aber genau, worum es geht. Die, die man immer wieder in der ersten Reihe sieht, die einen schon seit Jahren begleiten. Das ist einfach ein großes Danke für all die Jahre.

Wir wollen aber auf keinen Fall Türen zuwerfen – natürlich freuen wir uns immer über neue Fans vor der Bühne.

Ihr seid ja ziemlich gut in Trinklieder schreiben, habt ihr ein Lieblingstrinklied?

Das Lied, um das sich bei uns immer noch alles dreht, ist „Glück auf“. Wir haben uns bei Revolution auch überlegt, ob es ein Trinklied geben sollte – empfanden es aber nicht als passend. Auf Vamos! ist wieder eins drauf, wir sagen nicht bewusst „Da muss jetzt ein Trinklied drauf, das muss immer aus der Stimmung heraus funktionieren. Beim „Nie mehr Alkohol“ war es auch so das wir die Produktion von Vamos! schon komplett durch hatten – saßen dann noch mit dem Produzenten zusammen und meinten „Eins haben wir noch, haben ihm den Song vorgespielt und gemeinsam beschlossen, das muss mit drauf.

„Nie mehr Alkohol“ erinnert ein bisschen an Schlager.

Ja, es war schon so, dass wir uns hingesetzt haben und uns gefragt haben „Was machen wir jetzt?“ Ein neues Trinklied, viele Bands hätten das sicherlich anders gemacht, aber wir dachten, wenn schon, dann ordentlich klischeehaft.

Euch gibt es ja schon eine ganze Weile und eure Anfänge im Proberaum waren ziemlich wüst, keiner konnte sein Instrument spielen. Ab welchem Zeitpunkt habt ihr gesagt Ok, Betontod als Band das könnte funktionieren?

Schwer zu sagen. 2008/2009 haben wir uns hingesetzt und gefragt „Wie wollen wir das weiter gestalten – wollen wir weitermachen wie bisher? Wir treten auf, wenn wir angefragt werden und das wars?“ Aber dann hatten wir „Schwarzes Blut2 als CD im Gepäck und das kam ziemlich gut an. Da sind wir das Ganze strukturierter angegangen, auf die erste richtige Tour gegangen und so ging es dann los. Man fragt sich natürlich nach 28 Jahren Bandgeschichte, was wäre passiert, wenn man damit früher angefangen hätte. Andererseits waren wir damals ja wirklich noch nicht in der Lage unsere Instrumente zu bedienen. Wir saßen halt einfach nur im Proberaum, haben uns Instrumente geholt, Bier getrunken und einfach geschaut, was dabei raus kommt.

Was waren eure Vorbilder? Sind es immer noch die selben, oder hat sich das gewandelt?

Wir saßen gestern nach der Show zusammen und haben eine Playlist mit alten Songs gehört. Teilweise gibt es die Songs, die wir früher gehört haben auch heute gar nicht auf Spotify oder YouTube. Da muss man schon schauen, wo man die jetzt noch herbekommt. So ganz alte Dinger halt, Kanalterror oder Toxoplasma zum Beispiel.

Was geht in Euch vor, wenn ihr realisiert, dass einige Eurer Fans jünger sind als die Band selbst? Wie ist das für Euch, dass ihr mehrere Generationen mit Eurer Musik verbinden könnt?

Das nehmen wir schon wahr, das mittlerweile auch alteingesessene Fans ihre Kinder mit 7,8 Jahren mit zu Konzerten nehmen, da denkt man schon „Schauen wir die Texte demnächst lieber noch mal durch“. Da denkt man sich schon vom Kopf her „Kann ich das wirklich so schreiben, wenn Kinder die Songs dann hören? Ansonsten haben wir ja noch unseren Schlagzeuger, der auch noch mal 10 Jahre jünger ist als wir, der auch noch mal eine andere Sicht in viele Dinge bringt – und außerdem hab ich das Gefühl, das wir vom Kopf her relativ jung sind und deswegen die Welt von zum Beispiel knapp über 20 jährigen nicht so weit weg ist. Von daher ist das aktuell noch o. k., mal sehen, wie das in 10 Jahren ist.

Wenn du sagst in 10 Jahren – gibt es noch das 2000este Konzert?

Das kann man nie sagen, wäre natürlich schön. Hätte man mich vor 10 Jahren gefragt, ob es uns in 10 Jahren noch gibt, hätte ich gesagt „Schwierig, eventuell auch nicht“, aber es ist ja alles gut gekommen. Also mal sehen, was die Zeit bringt.

Zurück zu Vamos!. Was war euer Gefühl, als ihr das Album aufgenommen habt? Was wollt ihr mit Vamos! erreichen“?

Es ist eine Fortführung von „Revolution“. Der Großteil der Lieder hätte auch noch auf Revolution gepasst. Von daher eigentlich immer noch die gleiche Message gepaart mit einem Aufruf an die nachfolgende Generation die heranwachsen – der Trend geht ja aktuell zurück zur Spießigkeit und Mainstream. Ich habe mich vor kurzem mit einem Lehrer von meinem Jungen unterhalten und da bin ich wirklich erschrocken. Wir sitzen zusammen in der Aula, über 1000 Kinder und die sehen alle gleich aus. In meiner Jugend gab es noch Punkte, worüber wir uns definiert haben, das Reiben an gewissen punkten, sich dadurch eine eigene Meinung zu bilden und sich weiterzuentwickeln. Es wäre schon schade, wenn es das so in der Art und Weiße nicht mehr geben würde. Klar waren unsere Eltern auch nicht wirklich begeistert damals, aber wenn die einzige Subkultur vielleicht noch Hip-Hop ist, dann ist das einfach zu wenig, finde ich. Die Vielfalt ist in den letzten Jahren verloren gegangen und Vamos! ist ein Aufruf, sollte man sich einer Subkultur zugehörig fühlen, diese auch zu leben.

BETONTOD Live 2018

19.10.2018 Hamburg – Mehr! Theater
20.10.2018 Frankfurt – Batschkapp
26.10.2018 Pratteln – Z7
27.10.2018 Stuttgart – LKA Longhorn
02.11.2018D ortmund – Westfalenhalle 3A
03.11.2018 Leipzig – Täubchenthal

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