Grausame Töchter – Engel Im Rausch (CD-Kritik)

Grausame Töchter – 2009 von Lead-Sängerin Aranea Peel und dem Schlagzeuger Gregor Henning gegründet, beschreitet diese spannende Truppe ganz eigene Wege. Fetish-Look, blankziehen, Themen wie Sadomasochismus und Beziehungskonflikte – alles verpackt in ein einzigartiges Paket! Seit 2010 wird auch live aufgetreten. Jedoch gilt auf ihren Konzerten, wegen der BDSM-Elemente in ihrer Performancekunst, eine strenge Altersbeschränkung, worduch das Publikum mindestens 18 Jahre alt sein müssen. Eins ist fakt – man kann sagen, was man will, aber eine ungenügende Deutlichkeit in ihren Texten kann man der schrillen Performance-Künstlerin Aranea Peel wahrhaftig nicht vorwerfen. Hier wird kein Blatt vor den Mund genommen!

Zwei Jahre nach dem letzten Output „Vagina Dentata“ (2016) ließ die Hamburger Erfolgs- formation am 26.10.2018 ihren fünften Longplayer „ENGEL IM RAUSCH“ via Scanner / Dark Dimensions Label Group auf die Welt los. Natürlich haben die Mädels um Fronfrau Aranea Peel auf ihrer neuen Scheibe nicht mit neuem Material gegeizt und hauen gleich 18 Tracks, die mit weit über 60 Minuten Spielzeit aufwarten, raus. Abgemischt wurde das Werk in eines der ältesten Tonstudios Deutschlands, und zwar im Studio Nord Bremen von den beiden Musik- produzenten Gregor Hennig (Tontechniker) und Pascal El Sauaf (Toningenieur).

Glöckchen wie in der TV-Werbung im Advent läuten für die „Engel im Rausch“ — das ist ein Spiel mit akustischen Clichés und ziemlich steil abgedreht. Der folgende Titel „Wildes Tier“ könnte auch ein Produkt von der Hamburger Band „Oberer Totpunkt“ um Bettina Bormann sein. Industrial weht hier in der Luft und dies animiert zum endlosen Tanzen. „Engel im Himmel“ tönt mysteriös glamourös und klingt trotzdem ganz schön nach rotzfrecher Göre im hautengen Latexanzug. Dieser Titel ist die erste Single mit Video der „Grausamen Töchter“. Das Cover von Joachim Witt´s „Goldener Reiter“ (1980) steht dem Original in nichts nach. Der Gesang imitiert gewitzt die Attitüde der Neuen Deutschen Welle mit schmachtenden Kicksern. „Annika in Ekstase“ — genießt auf diesem Album Exzesse, Sünde und Extase in einer Mischung aus EBM, Industrial und Electro-Punk, während auf dem Album „Vagina Dentata“ Annika bereits tot ist („Annika ist tot“). Mit mädchenhaftem Charme singt Aranea Peel „…Und ich fühle nichts“, was man ihr so gar nicht glauben mag, wenn man diesen provokanten Unterton hört. Spooky und lasziv langsam ist „Atme mich“. Das Tempo zieht in der Mitte an. „Atme mich“ ist ein inszeniertes Tonwerk um Hingabe, sich aufgeben und auflösen. „Ich will“, so schreit das böse Mädchen provokant, wie sie kann nach ihrer „Fickmaschine“. Das ist so avantgardistisch, provokant und grenzgängerisch, wie „Grausame Töchter“ nun einmal sind. Es folgt ein weiteres Cover, „Rosemarie“ (1982), von Hubert Kah. Eine romantisch angehauchte Variante, die etwas energiearm wirkt im Vergleich zu den anderen Stücken. Den Titel des schrägsten deutschen Textes des Jahres gebührt konkurrenzlos „Lila Katzen“ — schön bunt ist es. Der EBM getriebene Beat garantiert Tanzbodentauglichkeit. Weiter geht es mit dem spacig surrealen „Sternenmädchen“, was sich mit wavigen Elementen und Dark Elektro vermischt. Die Dynamik entsteht aus den Facetten des sanften Parts, der durch die Anhebung der Tonhöhe den Weg zu den Sternen weist, und des rauen Parts, der geerdete Wave-Rock Atmosphäre verbreitet. „Beleidigte Engel 2020“ ist sowohl eine harte Dark Electro Nummer als auch eine Ansage der dominanten Art mit einer Extra-extra-Portion BDSM-Feeling. Dieser Titel erschien bereits auf ihrem ersten Album „Mein eigentliches Element“ (2011). „In deinem Kopf“ beschreibt sinnlich und lasziv das erotische Matschigwerden im Kopf. Der „Mindfuck“ wird sehr anschaulich beschrieben. Ganz anders ist „Wie eine Zecke“ und handelt von einem durchaus lästigen Alltagsproblem des Sommers. Der Titel ist eine Gratwanderung zwischen Comedy und Punk Attitüde mit Funkgitarrenbegleitung. Das erinnert stilistisch an Nina Hagen. Wie ist es mit dem „Sex in Deutschland“ bestellt, wenn dieser Titel als Grundlage einen stampfenden, monotonen EBM-Rhythmus hören lässt? Harte Arbeit ist das jenseits der weichgespülten Romantik auf der Blümchenwiese und muss auch mal wehtun, damit man mal was merkt, so geht „Sex in Deutschland“. „Nein!“ untersucht in jeder Art und Weise die Negation. Dark Electro trifft auf Edel-Punk wie Großstadtgeflüster und da wird selbst ein „Nein“ zur Freude aller episch zelebriert. Als vorletztes Stück des mit 18 Titeln langen Albums verströmt „Wodka-Polka“ Pogo-Charme, denn ein bisschen Pogo hat noch nie geschadet. Ähnlich wie im Track „Wie eine Zecke“ geht es um Spaß, Belustigung und Hedonismus. Da passt der Fun-Punk Stil im Polka-Rhythmus gut dazu. Als ruhigen Ausklang beschließt „Helle Sonne“ das Album mit leicht schwebendem Trip-Hop-Sound.

Fazit: „Grausame Töchter“ sind anarchisch frech und versaut … und das kein bisschen weniger, als auf den vorherigen Alben. Auf ihrem neuen Werk fließen verschiedene Stile von Wave, Dark Electro, Industrial, EBM und auch Trip-Hop ein, sodass sich ein abwechslungsreiches Uni- versum der „Töchter“ vor den Ohren auftut. Die Musik ist ein Teil des Gesamtkunstwerks genannt „Grausame Töchter“ und die Frage, ob die Musik passend zur Optik und Performance geschrieben wurde oder umgekehrt, wird sich wohl kaum hinreichend klären lassen, weil es trotz aller Extreme ein authentisches Lebensgefühl wiedergibt. Auf diesem Album zeigen die „Töchter“ eine klare Weiterentwicklung und Verfeinerung ihres Stils.

Tracklist:

01. Engel Im Rausch
02. Wildes Tier
03. Engel Im Himmel
04. Goldener Reiter
05. Annika In Ekstase
06. …Und Ich Fuehle Nichts
07. Atme Mich
08. Fickmaschine
09. Rosemarie
10. Lila Katzen
11. Sternenmaedchen
12. Beleidigte Engel 2020
13. In Deinem Kopf
14. Wie Eine Zecke
15. Sex In Deutschland
16. Nein!
17. Wodka-Polka
18. Helle Sonne

Kaufen: Amazon

VÖ: 26.10.2018
Genre: Dark Electropunk
Label: Scanner (Broken Silence)

Grausame Töchter im Web:

Homepage

Facebook