Eric Fish & Friends – Gezeiten (CD-Kritik)

Eric Fish & FriendsLiedermacherei – das ist genau das, wonach es klingt: Schöne Musik mit schönen Texten, beides davon findet die Schönheit in der Leichtigkeit. Weniger Laut, mehr Lauten. Der wärmeverströmende Soundtrack für den Spätsommer eines weiteren Jahres, in dem die Welt mal wieder etwas bekloppt geworden ist, liefert uns Erik-Uwe Hecht alias Eric Fish mit dem Album „Gezeiten“, das mit träumerisch-akustischer Musik und schönen Texten wie ein einstündiges Innehalten daherkommt, uns gleichermaßen Geschichten erzählt und tief in unser eigenes Leben schauen lässt.

Ja, ja – wir kennen Gesicht und Stimme von anderswo, aber das spielt keine Rolle: Eric Fish & Friends sind ein vierköpfiges Gespann rund um den charismatischen Sänger, Texter, Multiinstrumentalisten und Maler aus Potsdam. Der Titel „Gezeiten“ wirkt nicht nur im Fahrwasser der vorherigen Alben des Projekts folgerichtig – die naturalistische Ästhetik findet sich, wohin man schaut – mit Ebbe und Flut verbindet man ein stetiges Hin und Her, eine Ambivalenz, ein Gegeneinander. In dieses Hin und Her blicken Fish und Freunde mit großen Augen. Heraus kommen zwölf wunderbare Songs, die die instrumentale sowie lyrische Intellektualität, die große Namen wie Biermann oder Wader prägten, ins Hier und Jetzt bringen und dabei nicht anmaßend ausarten, sondern authentisch, leichtfüßig und träumerisch sind.

Das Album „Gezeiten“ ist vielerorts dank seiner naturalistischen Bilder ein Refugium in Zeiten des Durcheinanders, jedoch nicht nur blankes Hinfortträumen, sondern Perspek- tiven aufzeigend. So gibt „Gaia“ noch die Hoffnung, dass die Welt doch noch zu retten ist. „An die Kinder“ klingt halb wie ein etwas reißerischer Abschiedsbrief, jedoch entpuppt sich der Song bei genauerer Betrachtung als versuchter Brückenschlag zwischen voneinander wegdriftenden Generationen, ist mehr als nur eine Vater-Kind-Geschichte, sondern eine Aufarbeitung des Generationenkonflikts.

Hinzu kommt die Betrachtung unserer Welt als etwas im Kern ungeheuer Faszinierendes – „Elemente“ ist hier besonders hervorzuheben. Der Gegenentwurf zum Selbstbild des Menschen als Krone der Schöpfung ist die Erkenntnis: Alles um mich herum ist so fantastisch vielschichtig, mächtig und spannend, was bin ich schon dagegen? „Des Menschen Natur ist nicht zum Teilen bereit – willkommen in der Wirklichkeit“ heißt es auf „Gestrandet“, einer interessanten Geschichte, die sich auf mehrere Ebenen deuten lässt und der ein gewisser Aktualitätsbezug nicht abgesprochen werden sollte. Doch predigend gerät das Album nur auf dem Song „Gaia“, sonst werden die angesprochenen Themen immer in Geschichten verpackt. Voll von Reisemetaphorik, voll von Bildern, voll von Farbe. Was uns musikalisch geboten wird, ist hierbei konstant von großartiger Qualität. Ein reduziertes Ensemble schafft große Klänge. Besonders der Closer „Dazwischen“ weiß, zu beeindrucken, und spielt auf wundervolle Weise mit Folklore-Elementen und Vocal Layering. Inhaltlich gemahnt der Song an den Klassiker „Es ist an der Zeit“, die Geschichte des kleinen Soldaten aus dem ersten Weltkrieg. Voller Ruhe, Sanftheit und Kopfkino kommt „Gezeiten“ zu einem Ende, bei dem man sich fühlt, als sei man gerade aus einer Meditation zurück in das turbulente Jahr 2020 geschleudert worden.

Fazit: Ein Album zum Träumen ist „Gezeiten“ geworden. Zum Träumen von einer besseren Welt, mit ein wenig Eskapismus und Fernweh, ein wenig Sehnsucht nach schöneren Aussichten, und vor allem mit konstanter Qualität, kleinen Erzählungen verdichtet auf zwölf einzelne Stücke, die homogen und formvollendet zu entzücken vermögen. Wer mal kurz eine Pause braucht, wird sich über die neue Sicht auf das Wesentliche freuen, über die Bilder, die Gedanken, die einzelnen Striche eines Gemäldes. Eric Fish & Friends sind ein musikalisches Innehalten, das in Zeiten wie diesen mehr als nur willkommen ist, und „Gezeiten“ ist schlicht und ergreifend ein wunderschönes Werk, voller Sympathie, voller Liebe, frei von Bitterkeit, das einem das Staunen und sich Freuen wieder beibringen kann.

Tracklist:

01 Hoffnung
02 Gaia
03 Elemente
04 Sonnenwonnen
05 Unterm halben Mond
06 Lass mich los
07 Im Norden
08 Aurora
09 Gestrandet
10 Mutter
11 An die Kinder
12 Dazwischen

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VÖ: 21. August 2020
Genre: Liedermacherei
Label: Esox Music (Alive)

Eric Fish & Friends im Web:

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