ENGST – Flächenbrand (CD-Kritik)

„Wir passen in keine Schublade, wir sind der ganze Schrank“ – so betitelt sich die Berliner Band ENGST. Ganz schön große Worte für eine mehr oder weniger bekannte Band ohne ein veröffentlichtes Album. Aber das soll sich bald ändern, denn ENGST säen einen Flächenbrand. Am 26.10.2018 erscheint das Debütalbum via Arising Empire (Warner). Die 2017 veröffentlichte EP „ENGST“ und die beiden Vorabsingles „Optimisten“ und „Der Moment“ aus dem kommenden Werk lieferte bereits einen mehr als geschmackvollen Vor- geschmack auf das, was uns erwartet.

Elf Songs gepresst auf einen Silberling, gesungen auf deutsch unterlegt von poppigen Punk, gemischt mit rockigen Rhythmen und harten Beats. Texte die überzeugen können und hart kritisieren mischen sich mit humorvoller Alltagsbetrachtung und ein bisschen Romantik. „Ich steh wieder auf“ leitet das Album mit ruhigen Klängen ein, die bald von Gitarre und Schlagzeug etwas aufgefrischt werden und den Hörer förmlich in den Song ziehen. Mit Einsetzen des Gesangs wird das Tempo zwar gedrosselt, aber im Verlauf des Songs wieder aufgenommen. Die vielen Tempowechsel wirken mehr als gekonnt und vermitteln eine leicht melancholische aber dabei auch grundoptimistische Stimmung. Diese wird in „Der Moment“ aufgefangen und weitergetragen. Auch wenn das Thema einer zerbrechenden Beziehung eher traurig ist. Hier passen Thema und musikalische Begleitung stimmungs- technisch nicht wirklich zusammen, was dem Song aber das gewisse Extra verleiht. Nur ein kurzes auslaufendes Gitarrensolo gegen Ende verkörpert die durch den Text verkörperte Stimmung. „Eskalieren“ ist ein Aufruf zu eben diesen! „Wo es weh tut ist es ehrlich“ ist wohl die markanteste Zeile im Song. Flotte Rhythmen die mitreisen, treiben und einen nicht mehr loslassen. Die kratzige Stimme von Matthias Engst passt hier hervorragend und deckt hier sämtliche Spektren ab. Mit fröhlichem Pfeifen und einigen Blechbläsern startet „Optimisten“. So positiv und optimistisch der Song musikalisch verläuft, so dramatisch ist eigentlich der Text. Kritik und ein politischer Fingerzeig – ENGST positionieren sich ganz klar und legen den Finger tief in die Wunde. „Ein Sommer in den Charts“ kritisiert typische Popsternchen, die in den letzten Jahren sehr austauschbar geworden sind. Songs die von Plattenfirmen und Marketinggenies geschrieben wurde, ohne persönlichen Bezug oder Geschichte hinter dem Text. Unterlegt wird das Ganze dann mit einem hübschen Lächeln und läuft dann täglich mehrere Stunden im Radio. Das einzige Ziel ist hier der größte Profit – sollte der ausbleiben wird nach einem neuen Star gesucht. So läuft es leider heutzutage im Musikbusiness ab, aber zum Glück gibt es auch genug charismatische Bands wie ENGST, die sich klar dagegenstellen und zu 100% ihr eigenes Ding machen. „Der König“ paart auf fulminante Art und Weise wieder harte musikalische Rhythmen, hämmernde Schlagzeug- beats mit melodischen Blechbläsern. Erstmals ruhige Töne werden in „Ist mir egal“ angeschlagen. Thematisiert wird eine vergangene Beziehung, die endlich aufgearbeitet und verarbeitet wurde. Im Gesang liegt unfassbar viel Kraft und Emotionen, die mehr als einmal für Gänsehaut sorgt. Totales Kontrastprogramm mit hämmerndem Schlagzeug folgt mit „Fremdes Elend“. Ein langes Intro leitet den stimmungsvollen, dabei fast schon hektischen Song ein, der provokant den gesellschaftlich vorherrschenden Egoismus kritisiert. Zombies aus dem All sind nur ein Grund, warum die Welt morgen untergehen kann. Deswegen sollten wir heute noch gehörig feiern, dass wir noch einen Tag haben. „Morgen geht die Welt unter“ thematisiert zum einem viel, was gesellschaftlich und politisch schief läuft, wie zum Beispiel den Klimawandel oder Hungersnöte. Zum Anderen wird aber auch dazu aufgerufen jeden Moment zu leben, weil es tatsächlich so scheint, als wäre alles am Arsch und man muss sein Leben noch einmal auskosten. „Mit Raketen auf Spatzen“ klingt nicht nur dramatisch, sondern ist es auch thematisch definitiv. Hier wird ganz klar gegen rechte Hetze Stellung bezogen und mit einem mahnenden Fingerzeig daran erinnert, dass wir vor vielen Jahren eine ähnliche politische Situation hatten, woraufhin sich viele geschworen hatten, dass sich Geschichte nicht mehr wiederholen darf. „Träumer und Helden“ rundet das Album mehr als fantastisch ab. Gefühlvoll aber mit dem nötigen Druck verabschiedet sich das Quartett aus ihrem Debütalbum Flächenbrand.

Fazit: Der ganze Schrank – definitiv! ENGST haben den Mund ganz schön voll genommen, aber dabei auch nicht zu viel versprochen. Textlich sehr poetisch, mit viel Tiefgang und Brisanz, musikalisch auf sehr hohem Niveau. Das Einzige, was ich mir das ein oder andere Mal gewünscht hätte, wäre noch ein Ticken mehr Power, ein bisschen mehr Druck, ein bisschen mehr Rock als Pop. Aber da bin ich mir sicher, sind Engst auf einem guten Weg und werden auch in Zukunft zu überzeugen wissen.

Tracklist:

01. Ich steh wieder auf
02. Der Moment
03. Eskalieren
04. Optimisten
05. Ein Sommer in den Charts
06. Der König
07. Ist mir egal
08. Fremdes Elend
09. Morgen geht die Welt unter
10. Mit Raketen auf Spatzen
11. Träumer und Helden

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VÖ: 26.10.2018
Genre: Rock/Pop
Label: Arising Empire (Warner)

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