ASP – Kosmonautilus (CD-Kritik)

Mit „Kosmonautilus“ erweitern ASP den Fremder-Zyklus um ein viertes Album. Zwei Jahre nach seinem Vorgänger „zutiefst“, nach einer erfolgreichen Jubiläumstour sowie einer kurzen kreativen Pause wirkt die Band wie neu erstarkt. In den Jahren 2015 bis 2017 beglückte uns Alexander „Asp“ Frank Spreng ja gleich mit insgesamt vier Studioalben – den „GeistErfahrer“ mitgezählt. Doch dieser recht eng getaktete Rhythmus wirkte sich zumindest in meinen bescheidenen Ohren zuletzt nicht ausschließlich positiv auf die Qualität der Musik aus. Natürlich haben sie viel zu erzählen, doch durch ihre durchaus lobenswerte Vollausnutzung der 80 möglichen Minuten Spielzeit machten sich zuletzt vermehrt Längen bemerkbar, und vor allem „zutiefst“ und der zweite „Verfallen“-Teil hatten trotz interessanter Geschichten hier und da meiner Meinung nach Probleme, musi- kalisch so zu überzeugen, wie es die Band mit dem „Zaubererbruder“ oder dem Schmet- terling taten.

Doch sobald „Rückfall“ losgeht, bin ich voll und ganz dabei. Ein außerordentlich großarti- ger Opener, mit toller Atmosphäre und natürlich Asps wirklich brillanter und eigensinniger Stimme. Das klingt nach Ferne, Größe, vor allem aber der von mir heißgeliebten, nahezu bodenlosen Tiefe. „Morgengrauen irgendwo“ überzeugt dann mit feinsten Rock-Klängen und einigen wirklich schönen Zeilen. Diesem Song wohnt Reiselust und Fernweh inne, und Asp überzeugt auch gesanglich wieder auf ganzer Linie.

Wenn ich an ASP denke, denke ich auch an Wortspiele wie „GeistErfahrer“ oder „Weichen- (t)stellung“. In diese Kerbe schlägt nun auch der Titel „Phragmokontrolle“ – und der Song, der sich dahinter verbirgt, hat auch einen ziemlich ordentlichen Drive. Mit der altbekannten und geliebten Breite und Tiefe und einem sich „rund herum“ ins Ohr schlängelnden Refrain geht auch dieser Song gut ins Ohr. Die Musik klingt schön verspielt und auch mit den Backing Vocals, die hier und da durchschimmern, sorgt dieser Song bei mir für ein gewisses Lächeln. Ist es nur mein Gefühl, dass ASP noch nie so gut produziert klangen? Und ist es ebenfalls nur mein Gefühl, dass die Refrains jetzt schon besser sind als auf der zweiten „Verfallen“-Folge und „zutiefst“?

„Abyssus 2 (Musik)“, eine der Singleauskopplungen aus dem Album, wurde uns nicht nur als Vorab-Download serviert, sondern gleich mit einem Musikvideo bereichert. Aber auch ohne die visuelle Garnitur reißt besonders das Intro mit. Dieser Drumpart hat etwas sehr Einnehmendes, der Song selbst ist auch außerhalb des Albumkonzepts überzeugend. Eine Hymne auf die Musik, fabelhaft und typisch ASP-mäßig verpackt. Auf diesen Song folgt nun „Tritons Fall“, eingeläutet durch ein wahrhaft böses, schleppendes Riff. In Riffs dieser Art verliebte ich mich zuletzt schon auf „Dro[eh]nen aus dem rostigen Kellerherzen“, und hier erkundet ASP nun mit seiner Stimme die Tiefen, „wo kalte Körper noch verrotten“. Mit erneut fabelhafter Poesie und schleppender Schwere ist dieser Slowburner ein wuchtiger Kracher, und das im Refrain mehrfach rezitierte „Triton, erwache!“ geht unter die Haut. ASP schaffen es auch weiterhin, musikalische Gänsehautmomente herbeizuzaubern.

„Eishimmel“ ist geschwängert von Dramatik mit Zeilen wie „Die Kälte ist allgegenwärtig und macht, was sie will“. Auch hier schmettert Asp wieder großartige Vocals über heftige Gitarrenhiebe. Wenn das kein Livepotential hat, weiß ich auch nicht. Und auch „Liebes Licht“, das fast einen leichten Folklore-Charakter hat, weiß zu überzeugen. Als erste Ballade des Albums brilliert der Song mit gezupfter akustischer Gitarre und besonnen eingesetzten Streichern. „Lautlos schließt und öffnet sich der Mund und stellt stumm die immer gleichen Fragen“ ist eine weitere dieser wundervollen ASP-Zeilen, die man nur mit dieser Band in Verbindung bringen kann. Das sonst so unrhythmisch und altertümlich-klotzig formuliert Wirkende in Poesie und Musik zu verwandeln gelingt der Band hier wieder meisterhaft und besser als bei einigen anderen Nummern in den letzten Jahren.

Mit „Tintakel“ folgt etwas, das man durchaus als Loblied auf Tattoos verstehen kann. Ebenfalls ein schöner Song, besonders an dem Punkt, an dem Asp beschwörend und hypnotisch verlautbart: „Gezeichnet und doch wieder makellos und rein“ – doch der Refrain überzeugt mich hier nicht so ganz. „In tiefer Naaaacht / Wenn es erwaaaacht“ hat zwar ein gewisses Mitsing-Potential, kommt aber irgendwie eher dünn daher und nicht mit jener Kraft, die das Album bis hier zu veräußern wusste. Meine Wahl als Vorabsingle wäre vielleicht nicht auf diesen Song gefallen, erhält er doch im Vergleich zum bisher Gehörten eher das Prädikat „ganz nett“. Aber Gott sei Dank folgt ja „Schatten eilen uns voraus“, mit U-Boot-Funkspruch-Samples und einer beißenden Bassline, umhüllt von nach unten ziehenden Drums und leichten Synthie-Spielereien. Auch nicht zu verachten ist der etwas eigenartige Rhythmus, in welchem Asp hier seinen Halbsprechgesang in den tiefen Tonlagen darbietet. Wie ein Pendel, das den Hörer hypnotisieren soll, begeistert dieser Song durch verführerische Tiefenschärfe. Sehr schöne Sache das!

Die nächsten drei Songs sind die nächsten „Abyssus“-Folgen. Teil 3 mit gerade einmal eineinhalb Minuten Länge kommt leise und mysteriös daher und schließt nahtlos an Teil 4 an, der mit erstaunlich breitbeinigem Riff einsteht. Allein die Gitarrenarbeit macht diesen Song fantastisch, und auch der Refrain lädt durch die regelmäßigen „Abyssus!“-Rufe zum Mitmachen ein. Dieser Song gehört meiner Meinung nach definitiv auf die Bühne. Der längste Teil dieses Abyssus-Dreigespanns, welches das letzte Drittel des Albums einläutet, ist jedoch der fünfte, der gleich mal mit sechseinhalb Minuten Spielzeit ins Haus steht. Und hier wird klar: nur Asp schafft es, Zeilen wie „Situationsbedingt ging manche Zeit verloren“ so derart böse und unheilverkündet klingen zu lassen. Ein weiterer Schlepper, der wiede- rum mit grandioser Gitarrenarbeit und hymnischem Refrain überzeugt. Man kann es nicht anders sagen, und im Kontext von ASP ist dieses Wort doch sehr inflationär benutzt worden, doch „Abyssus 5“ ist wirklich episch.

Der Titeltrack des Albums entfachte bei mir im Intro einige Erinnerungen an den „Wechsel- balg“, hat jedoch um einiges mehr Energie. Mal wieder lupenreiner Gothic Novel Rock von jenen, die diesen Sound erfunden haben und im Alleingang mal wieder auf neue Höhen treiben. Auf „Kosmonautilus“ geht es wieder etwas zügiger zu, es darf und soll getanzt werden, spätestens beim sehr geilen Gitarrensolo nach etwa drei Minuten. Geil, vollmun- dig, kraftvoll und pointiert. „Bones“ hingegen lässt sich mit acht Minuten Länge etwas mehr Zeit. Doch liebe ich diesen Song schon nach wenigen Sekunden. Höre ich da etwa Tambourin? Und dieses tiefe Summen von Asp ist ja mal fabelhaft! Der erste englische ASP-Song seit einiger Zeit weiß definitiv zu überzeugen, mit ein bisschen Attitüde, dieser genialen Stimme, einigem an Abwechslung und Mitnickrhythmus. Auf halber Strecke baut sich der Song noch einmal ganz neu zusammen und geht dann mit fast moshpittauglichem Beat und ordentlich Gitarrengeschrammel weiter. Auf den allerletzten Metern wechselt Asp jedoch nochmal ins Deutsche: „Es ist nicht zu spät.“ Es folgt das träumerische Peter Maffay-Cover „Nessaja“ wie ein Abspann zu dem Film, der uns auf „Kosmonautilus“ geboten wurde. Wie ein kleiner, lieblicher Rausschmeißer ist dieser Song als Bonustrack und letzter Atemhauch der Platte nach der eigentlichen Action außerordentlich wirkungs- voll und enorm liebenswert.

Fazit: „Es ist nicht zu spät“, haucht Asp in den letzten Sekunden von „Bones“, und behält damit Recht. Die mit circa einem Jahr Länge für ASP schier endlose Kreativpause zeigt sich stärker, als ich es vermutet hatte, und die Band zeigt sich mit neuer Energie und Breitseite, ohne sich neu erfinden zu müssen. Stattdessen treiben sie die eigene Formel mit „Kosmo- nautilus“ womöglich sogar auf Hochtouren. Vielleicht ist es zu früh für die folgende These, trotzdem möchte ich behaupten: Dies könnte sich zum besten der bisher vier Teile des „Fremder“-Zyklus mausern. Als besonders erfreulich erwiesen sich für mich die „Abyssus“– Teile, sowie „Rückfall“, „Schatten eilen uns voraus“ und „Bones“. Wie ich dieses ASP-Album am Griffigsten zusammenfassen könnte? Wohl nur mit einem ASP-Zitat: „Schön, schön, schön!“

Tracklist:

01 Rückfall
02 Morgengrauen irgendwo
03 Phragmokontrolle
04 Abyssus 2 – Musik
05 Tritons Fall
06 Eishimmel
07 Liebes Licht
08 Tintakel
09 Schatten eilen uns voraus
10 Abyssus 3
11 Abyssus 4
12 Abyssus 5
13 Kosmonautilus
14 Bones
15 Nessaja (Bonus)

Kaufen: Amazon

VÖ: 29.11.2019
Genre: Gothic Novel Rock
Label: Trisol

ASP – KOSMONAUTILUS TOUR 2020
+ Support: Two Minds Collide

16.01.2020 – Saarbrücken, Garage
17.01.2020 – Pratteln, Z7 (CH)
18.01.2020 – München, Backstage Werk
23.01.2020 – Würzburg, Posthalle
24.01.2020 – Oberhausen, Turbinenhalle
25.01.2020 – Wiesbaden, Schlachthof
30.01.2020 – Hannover, Pavillon
31.01.2020 – Leipzig, Haus Auensee
01.02.2020 – Stuttgart, Im Wizemann
06.02.2020 – Hamburg, Markthalle
07.02.2020 – Berlin, Huxleys Neue Welt
08.02.2020 – Erfurt, Central
13.02.2020 – Memmingen, Kaminwerk
14.02.2020 – Wien, Simm City (A)
15.02.2020 – Dresden , Alter Schlachthof

Tickets

unter: https://www.aspswelten.de/shop/kosmonautilus-tour..69

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