Mystigma – Unter Wölfen (CD-Kritik)

„Unter Wölfen“ ist das fünfte Studioalbum des seit 2005 unter dem Namen Mystigma agierenden Quartetts um die Brüder Torsten (Vocals)-und Jörg Bäumer (Gitarre, Keys). Flankiert von Stephan Richter (Bass) und Malte Hagedorn (Drums) hat sich das kreative Duo für einige Monate in das bandeigene Studio zurückgezogen, um ein neues Kapitel in der Mystigma – Historie aufzuschlagen. Besinnend auf die eigenen Vorlieben und Wurzeln, die seit jeher geprägt sind von einer viel zitierten Melan- cholie und Düsternis, formte die Band mit „Unter Wölfen“ ein zwölf Songs umfassendes Werk, welches ohne Frage als der vorläufige Höhepunkt in der Diskographie des 4ers bezeichnet werden muss. (Quelle: Pressetext)

Zur Einstimmung erhebt sich „Geschrieben In Blut“ zum krachenden Rock ’n‘ Roll im schönsten Goth-Gewand, verziert mit der lyrischen Leadgitarre mit ordentlich Reverb in der Strophe und einem Text, der, wäre er in Englisch verfasst, jedes Death Metal Stück adelte. Der nächste Track „Koma“ ist etwas weniger Rock ’n‘ Roll als der Anfangstitel, nichtsdesto- trotz ist „Koma“ druckvoll krachender Goth-Rock mit einem Streicher getragenen Zwischenpart von Cellist Benni Cellini (Letzte Instanz). Der Titel wird mit donnernder Double-Base zu Ende gebracht. „Dreh Dich Um“ ist die erste Single Veröffentlichung aus dem Album. Kräftiger Wave-Gitarren-Rock, dunkel mit präsentem Bass verbinden sich sphärisch mit dem metaphysischen Text. Auch hier ist die Leadgitarre neben dem Bass das beherrschende Instrument. Der schwebende, singende Sound der Leadgitarre ist schmach- tend schön und gibt nicht nur diesem Titel eine melodische, rockromantische Färbung. „Kriegsspuren“ startet mit einem Synthiepop typischen Synth-Voiceklang, der mit einem leicht orientalisch angehauchten Zupfinstrument unterlegt ist. Das sind diese kleinen Feinheiten, die nicht dick auftragen, aber den Titeln die Würze geben und einfach klasse sind. „Leere Worte“ — die Osnabrücker liefern genau das Gegenteil: stets wortgewaltig mit nötigem Pathos, aber ohne Betroffenheitslyrik. Dieser Track hätte stilistisch auch von „London After Midnight“ stammen können, wenn die Stimmen nicht so unterschiedlich wären. Der Refrain trägt hymnisch zum guten Gesamteindruck bei. Besonders gut kommt die Stimmdopplung als Effekt rüber. „Neptuns Mond“ beginnt mit einem eingängigen Synthiethema, das gleich in den flotten Takt mitreißt. Dies ist richtig schöner, hypnotischer Dark Rock mit wavigen Elementen, der sich in seinem Klang von den beiden ersten Titeln, die metaliger rüberkommen, abhebt. Nun kommt der namensgebende Track „Unter Wölfen“, der mit etwas mehr elektronischen Sounds ausgestattet wurde. Eine vollumfäng- lich romantische Goth-Ballade mit sehnsuchtsvollem Pathos fetten Gitarrenbrettern im Refrain und passend dazu der eingesetzte Voice Effect beim Gesang. Weiter geht es mit 80er Jahre Synthieläufen zum Einstieg, die hier sofort von der fett verzerrten Gitarre abgeholt werden. „Superbia“ — latein: Hochmut —ist Goth-Rock, der abgeht wie Schmidts Katze. So ein schöner Titel zum Mitbrüllen des Refrains! Für den nächsten Titel wurde wieder Cellist Benni Cellini (Letzte Instanz) ausgeliehen. „Hydra“ wird getragen von heavy-metaligen Powerriffs im Headbanger-Rhythmus. Richtig cool, wie dieser eher aggressive Titel mit der schwebenden Melodie des Cellos eine akustische Liaison eingeht. Eine kurze Reminiszenz an die erste Zeit „Mystigmas“ als melodische Death Metal Band ist „Colonia Dignidad“ mit seinen donnernden Double-Base Stakkatos, die neben den eingespielten Spielplatzgeräuschen und der orientalisch anmutenden Melodie der Anfang und das Ende des im Wesentlichen eher im Midtempo verbleibenden Liedes sind. Es behandelt die deutsche „Kolonie der Würde“ in Chile — eine Sekte von deutschen Auswanderern, die wegen ihrer sadistischen Praktiken immer wieder in der Presse war. „Verlorene Zeit“ darf anfangs mit Streichern punkten. Auch der philosophische Text ist stark. Im letzten Stück „Desdemona“ begleitet wieder Benni Cellini auf dem Cello. Es beginnt ganz old school mit Plattenknistern am Anfang — ein retro einstieg, der sich ruckzuck in einem donnernden Trommelstakkato wandelt: Ein Markenzeichen von „Mystigma“.

Fazit: Irgendwie wirken die Lieder von „Mystigma“ beseelt. Die Texte kommen teilweise mit romantischem Pathos daher, haben aber durchaus Bezug zu aktuellen Themen. Der Albumtitel „Unter den Wölfen“ ist nicht ohne Grund gewählt, denn in irgendeiner Art und Weise hat jeder Track etwas thematisch in positiver oder negativer Auslegung damit zu tun, entweder unter seinesgleichen in einer starken Verbindung zu sein (wie im Rudel), oder sich in einer strikten Hierarchie und Konkurrenzkampf wiederzufinden, wo jeder gegen jeden um das harte (Über-)leben kämpft. Die metaphorische Gewalt der Texte spiegelt sich in der musikalischen Gewalt dieser Band: Sie tänzeln zwischen Deathmetal-Stakkato-Drums, Synthipop-Läufen und hochmelodischen Gothrock-Gitarrensoli, ohne sich auf die Klappe zu legen, was auf diesem Album wiederum eingängig zu hören ist. Doch wirkt es manchmal so, dass sie aus furchtsamer Absicht, zu dick aufzutragen, sich zurücknehmen in ihrer musikalischen Aussage, was überhaupt nicht nötig ist. Vor allem im Gesangsbereich sind die Effekte recht zurückhaltend gesetzt, was gar nicht sein muss, denn da ließe sich noch einen draufsetzen: Ein grandioses Duett mit passender weiblicher Stimme könnte mörderisch schön werden. Aber das ist jetzt keine Abwertung dem gegenwärtigen Album gegenüber — im Gegenteil, da steckt noch so viel drin in dieser Band. Es macht einfach Freude, immer neue Details in den Titeln zu entdecken. Sie sind ihrem schon gut ausge- reiften Stil treu geblieben und konnten ihr sonst hohes Niveau leicht halten.

Tracklist:

01 Geschrieben In Blut
02 Koma
03 Dreh Dich Um
04 Kriegsspuren
05 Leere Worte
06 Neptun’s Mond
07 Unter Wölfen
08 Superbia
09 Hydra
10 Colonia Dignidad
11 Verlorene Zeit
12 Desdemona

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VÖ: 28.09.2018
Genre: Dark Rock, Gothic Rock/Metal
Label: Timezone

Mystigma im Web:

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