Betontod – VAMOS! (CD-Kritik)

Betontod melden sich zurück! Mit „Vamos!“ erscheint in leuchtendem Pink das neue Studioalbum der Rheinberger, die auf eine beachtliche Karriere zurückblicken können. Einige Live- und Studioalben, über 1.000 gespielte Konzerte und ein eigenes Label. Harte Arbeit zahlt sich aus – als Band im Underground nur von einigen wenigen Fans wahrge- nommen mauserten sich die Punkrocker zu einer der be- kanntesten Punk- und Deutschrockbands unserer Zeit. Das Vorgängeralbum „Revolution“ schaffte es sogar auf Platz drei der Deutschen Album Charts. Eine sehr beeindruckende Biografie, in welcher mit „Vamos!“ das nächste Kapitel geschrieben wird – denn Betontod sind noch lange nicht am Ziel und wir hoffen auf viele, unzählige weitere Jahre und mindestens 2.000 Konzerte.

Wie wir es von Betontod-Alben gewohnt sind, startet der elf Songs umfassende Langspieler mit einem Intro, das auf den Namen „Para toda la vida“ hört. Übersetzt bedeutet es so viel wie „Für das Leben“. Ruhig, mit leisem Frauengesang im Hintergrund werden wir in das Album gezogen. Gitarre und Bass sorgen im Hintergrund für ein leicht bedrohliches Feeling. Die ruhigen Klänge steigern sich langsam und bedächtig, bis das Intro nahtlos in den folgenden Song „Zusammen“ überleitet. Auch hier starten wir mit Altbekannten. Lange „Ooh“ Rufe kennen wir von Betontod seit Beginn ihrer musikalischen Karriere. Nicht innovativ, aber warum etwas ändern, was schon so lange wunderbar funktioniert hat? Live auf jeden Fall wunderbar um das Publikum einzubinden und Stimmung zu erzeugen. Eine Sache, die ich an Betontod zu lieben gelernt habe ist der immer wieder eingebaute Bezug auf alte Songs oder Alben. In diesem Fall ist es die Zeile „Flausen im Kopf, Wind in den Venen, Viva Punk solang wir leben“ die sogar auf zwei Songs und das zum Statement gewordene Betontodmotto anspielt. „Zusammen“ treibt vorwärts und überzeugt sowohl textlich als auch musikalisch auf ganzer Linie. In allerbester Betontodmanier beginnt der Titeltrack „Vamos!“. Brechendes Schlagzeug und donnernde Gitarren leiten den Song ein. Kritisch und mehr als direkt wird hier überraschend melodisch ein Song auf die Ohren der Zuhörer geschmettert. Der Refrain ist erstklassig zum Mitgrölen und Fäuste ballen geeignet. Aufstehen, laut sein, seine Meinung kundtun. All das scheint unfassbar leicht zu sein mit „Vamos!“ im Ohr. Hier haben die Rheinberger definitiv ihr Ziel erreicht und eine neue Hymne erschaffen. „Boxer“ wurde bereits vor Veröffentlichung als zweite Single ausgekoppelt. Im Musikvideo gibt sich sogar Profiboxer Graciano Rocchigiani besser bekannt als „Rocky“ die Ehre und teilt gegen Sänger Oliver Meister aus. Ein Song, der textlich auf ganzer Linie überzeugt, der Boxkampf dient als eine Metapher für das oftmals harte Leben, mich aber musikalisch leider nicht zu 100% überzeugen kann. Die Gitarren hart, der Bass markant und das Schlagzeug genau richtig dosiert, aber dennoch fehlt hier meiner Meinung nach das gewisse Etwas. Das finden wir dann aber in „La Familia“. Dieser Song wurde als erste Auskopplung gewählt und auch hier finden wir wieder eine Anspielung, dieses Mal auf „Schwarzes Blut“. Ein sehr sanfter und ruhiger Beginn wird von hämmerndem Schlagzeug abgelöst und gekonnte Tempo- und Rhythmuswechsel geben dem ganzen Song noch mal einen ordentlichen Kick und reißen auf ganzer Linie mit. „Es ist vorbei“ ist das schöne Kontrastprogramm dazu. Viel ruhiger, dennoch flott nach vorne werden Kontroversen in Beziehungen beleuchtet und die Verzweiflung am Ende eben dieser besungen. Hier fühlt man jeden Funken Herzblut, der in diesen Song gewandert ist ganz deutlich. Die erste wirkliche Ballade folgt mit „Niemals untergehen“. Gänsehaut erzeugende Texte über Freundschaft und Zusammenhalt gepaart mit leisen Gitarren und einen sehr im Hintergrund gehaltenem Schlagzeug. Der Gesang ist sehr melodisch und fließend, so erhält der Song seinen ganz besonderem Flair, der seinen Höhepunkt im mehrstimmig gesungenen Refrain am Ende des Tracks findet. Kein Betontodalbum ohne ein Trinklied oder Zeilen über Alkoholeskapaden. Das gehört dazu, wie das Amen in der Kirche. Auch auf Vamos! werden wir nicht enttäuscht und mit „Nie mehr Alkohol“ folgt eine bizarre, aber äußerst gelungene Mischung aus Schlager und Punkrock. Klingt komisch, ist aber so. Die Strophen erinnern an klassischen deutschen Schlager und im Refrain wird die Punkrockkeule auf den Tresen geschmissen. Gepaart mit einem zugegebenermaßen ziemlich flachen Text ist dieser Song der perfekte Begleiter für jeden feucht fröhlichen Abend. „Bengalo“ ist vollgepackt mit Gefühlen und Emotionen, die mit jedem gesungenem Wort aufs Neue überspringen. Keine wirkliche Ballade, aber auch kein klassischer Reißer, einfach ein wunderschöner Song, der mehr ausdrückt, als eigentlich mit Worten gesagt werden kann. Die Zügel werden aufgenommen, das Tempo angezogen und „Stück für Stück“ zieht den Hörer vom ersten bis zum letzten Ton in seinen Bann. Mehr geht eigentlich fast nicht mehr. Schon sind wir am Ende des etwas kurz geratenen Silberlings angelangt. Dafür wird jetzt aber noch einmal richtig Party gemacht. „Diese Zeit“ geht um die beste Zeit des Lebens, die man nie vergessen wird. Die wilde Jugend und die besten Anekdoten aus dieser Zeit verpackt in knapp drei Minuten Nostalgie. Auch wenn zwischen mir und den Betontodjungs eine ganze Generation liegt, kann ich jede Zeile nachemp- finden und bei den Gedanken einige Jährchen zurück doch sehr schmunzeln. Schade, dass ich wohl die letzte Generation war, die noch mit Kassetten aufgewachsen ist.

Fazit: Wie Betontod und doch ganz anders. Hört man alle Alben von Betontod chrono- logisch von Anfang bis Ende durch, so kann man eine ganz deutliche Entwicklung hören und erkennen. Diese Entwicklung fand ihren Höhepunkt meiner Meinung nach in „Traum von Freiheit“ und „Revolution“. Wo ich „Vamos!“ einordnen würde kann ich tatsächlich gar nicht sagen. Nach dem ersten Hören war ich zutiefst traurig, „Vamos!“ hat mir nichts gegeben. Eine Band, die mich noch nie enttäuscht hatte und über so viele Jahre begleitet hat, produziert auf einmal ein Album, mit dem ich absolut nichts anfangen konnte. Also 2x gehört. 3x gehört, 8x gehört, 354x gehört und dann hat es Klick gemacht. Mit „Vamos!“ wird ein komplett neues Kapitel aufgeschlagen. Man erkennt den klassischen Betontodsound immer noch, aber es fand eine musikalische Weiterentwicklung statt. Auch wenn „Vamos!“ nicht beim ersten Hören überzeugen konnte, ist es dennoch ein unfassbar starkes und grundsolides Album. Es wird nie mein Lieblingsalbum von Betontod werden, aber es hat definitiv seine Daseinsberechtigung und verdient mehr als eine Chance – weil manchmal springt der Funken erst nach 354x Hören über, aber dann direkt ins Herz!

Tracklist:

01 Para Toda la Vida
02 Zusammen
03 Vamos!
04 Boxer
05 La Familia
06 Es ist vorbei
07 Niemals untergehen
08 Nie mehr Alkohol
09 Bengalo
10 Stück für Stück
11 Diese Zeit

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VÖ: 31.08.2018
Genre: Punk- / Deutschrock
Label: Arising Empire (Warner)

Betontod im Web:

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