Harpyie – Blindflug (CD-Kritik)

Noch nicht einmal ein Jahr ist seit der Veröffentlichung des viertes Studioalbum „ANIMA“ der Mittelalter / Folkmetaller HARPYIE ins Lang gezogen und schon steht die nächste Silberscheibe in den Startlöchern. „BILNDFLUG“ so lautet der Titel des neuen Albums. BILNDFLUG? Die Fans der ersten Stunde werden nun mit Sicherheit etwas irritiert sein, denn schließlich gab es diesen Albumtitel schon einmal. In der Tat handelt sich bei dem neuen Album um ein Re-Release ihres Debütalbums aus dem Jahr 2012. Der Silberling wurde nun nicht nur in Eigenproduktion komplett neu arrangiert und aufgenommen, sondern alle Songs wurden sowohl musikalisch und als auch textlich überarbeitet und lassen das Album in einem ganz neuen Licht erscheinen. Zudem gibt es noch ein kleines Schmankerl von den Sturmvögeln in Form einer Bonus-CD, welche einige Lieder der letzten beiden Alben in neuen Varianten mit Gastmusikern wie u.a. Michael Simon, Tanzwut, Nachtgeschrei & Vogelfrey beinhaltet, obendrauf. Das Werk „BILNDFLUG“ (Re-Recorded) kommt am 26. Januar 2018 via Metalville (Rough Trade) auf den Markt.

Dann wollen wir doch mal ins das alte/neue Werk reinhören. CD 1: Das Spoken Work Intro „Gen Siebenbyrgen“ bezaubert durch die orchestrale Untermalung und die Gänsehaut verursachende tiefe Erzählerstimme. Das ist ein atmosphärisch dichter, gar märchenhafter Einstieg. „Hundertdreyssig“, erzählt die erste Geschichte über den Rattenfänger von Hameln in sehr schöner Metal-Folk Manier. Die klare, differenzierte Abmischung und der Einsatz der Instrumente ist wahrlich entzückend für die Ohren. „Nemo“ hieß auf dem 2012er-Album „Niemand Meer“. Das Re-Recording zeigt nachdrücklich, dass der (maßvolle) Einsatz von Effekten auch im Metal-Folk nichts Ehrenrühriges ist, sondern für akustische Plastizität sorgt. „Nemo“ ist eine solide Midtempo-Nummer mit einem Hauch Melancholie, die auch der Gesang Rechnung zollt, in dem stimmlich der Druck rausgenommen wird und weicher in die Harmonien geht. Das geht ab: „Die Tanzende Schlange“! Da kommt Mittelalter-Feeling auf! Überraschend und bezaubernd zugleich ist die Violine, die sich tänzerisch zart über die rasanten Doublebase-Attacken hinwegspielt. „Hexe & Halunken“ ist ein richtig typischer Mittelalter-Rock Titel und klingt wie die Tavernen-, Sauf- und Rauflieder anderer Mittelalter-Rock-Bands, vor denen sich Harpyie unter gar keinen Umständen verstecken muss. Oh, welch’ zarte Einleitung führt in das Lied „Legenden“ und es geht so bezaubernd weiter. Schwebend leicht umschmeichelt es den Geschichten erzählenden Sänger Aello. Der Bass tönt sanft, aber druckvoll schon fast nur noch im Brustbein fühlbaren Tieftonbereich und diese Ballade mutiert mit fortschreitenden Ablauf zu einer wahren Hymne, der jedem epischen Soundtrack Konkurrenz macht. „König Und Bettler“, wird von Mechthild Hexengeige gesungen. Es powert brachial mit Doublebase los, wechselt sich mit ruhigen Passagen ab und ist mit knapp 2,5 Minuten ein ungewöhnlich kurzes Stück. Schön mit akustischer Gitarre eingeleitet, besticht „Irrlichter“ durch eine dramatisch-romantische Grundstimmung und das epische Duett. Eine ganz fette Ballade.

CD 2: „Die Glorreichen Sieben“ war bisher noch nicht veröffentlicht. Die Glorreichen Sieben sind Feuerschwanz, Tanzwut, Nachtgeschrei, Vogelfrey, Krayenzeit, Metusa und natürlich Harpyie selbst. Dieser Titel ist ein echter Bonus für die Fans des Mittelalter-Rock bzw. Metal Genres und bereitet dem Ohr ein Fest an musikalischer Bandbreite des ganzen Genres. „Löwenherz (Akustik Version)“ stammt vom Album „Anima“ (2017) und wird von einem Klavier begleitet und Geige. „Elisa (Subway to Sally Remix by Simon Michael)“ vom Album „Freakshow“ (2015). Simon Michael Schmitt ist seines Zeichens nicht nur der Schlagzeuger von Subway to Sally, sondern auch der Produzent von Harpyie. „Elisa“ ist ein recht düsterer Titel inhaltlich wie auch musikalisch und bekommt bei diesem Remix einen ausgeprägten sinfonischen Unterbau und ein Hauch von STS weht durch die Zeilen. „Twoface (Soulbound Remix)“ vom Album „Freakshow“ (2015) ist ursprünglich in Deutsch gesungen. Dieser Remix überschreitet nicht nur die Sprachgrenze, sondern ganz klar auch Genregrenze, weil Soulbound eine dem Melodic Death Metal zugeordnete Band ist. Dieser Remix ist wirklich ein großartig gelungener Stilbruch auf diesem Album und zeigt auch ein paar Industrial Metal Facetten. Wie anders ist da „Karneval der Kreaturen (Orchestral Remix)“ vom Album „Freakshow“ (2015). Steht ja auch da „Ochestral“ und das ist es wahrlich. Es scheint, als säße man im Theater, um sich ein Musical anzuschauen. „Schöne Neue Welt (Robert Dahn feat. Equilibrium)“ vom Album „Anima“ (2017) wurde durch ein Duett mit dem Sänger von Equilibrium angereichert, was an sich ja nicht übermäßig spektakulär wäre, wenn dieser nicht mit tiefen Growls arbeitete, was ein ganz ungewöhn- liches Hörerlebnis darstellt.

Fazit: „Spielt es noch einmal, Harpyie!“ oder „Reset! Nochmal von vorn!“ Welchen Sinn ergibt es, ein erst sechs Jahre altes Album noch einmal zu bearbeiten und zu veröffent- lichen? Liest man sich die damaligen Kritiken des Albums „Blindflug“ durch, kommt man schnell zu dem Schluss, dass Harpyie sich selbst, ihren Fans, ihren Kritikern den ultimativen Beweis antreten wollen, dass sie es eben besser können. Das ist mutig und zeugt von charakterlicher Stärke, sich mit dem stark im Rohformat befindlichen Erstlingswerks noch einmal (musikalisch) auseinanderzusetzen. Harpyie haben ihren spröden Rohdiamanten aus dem Jahr 2012 geschliffen, indem sie die Abmischung verbesserten, der Instrumen- tierung Tiefe und Raum gaben, die Komposition überdachten und etwas weniger brachial, dafür filigraner ans Werk gingen. Der Gesang bekam Unterstützung durch dezenten Einsatz von Effekten, was die Stimme besser in den Vordergrund stellt. Ein absolutes Muss bei diesem Wall of Sound, der sich da aufbaut. Gut ist auch, dass Sänger Aello, die Windböe, des Öfteren den Druck aus der Stimme nimmt und zu einem wirklichen (singenden) Geschichtenerzähler wird beispielsweise bei „Nemo“. Im Nachhinein ist die von Harpyie damals gewiss als schmerzlich empfundene Kritikerschelte ein großer Glücksfall für die Band, weil sie tatsächlich daran gewachsen und zurecht daran gegangen sind, mit frischem Wind unter den Flügeln noch einmal mit einem Update des Autopiloten durchzustarten mit „Blindflug“. Als Draufgabe haben Harpyie sechs weitere, teilweise recht ungewöhnliche Remixe dabei, was einen spannenden Bogen schlägt zwischen den verschiedenen musika- lischen Einflüssen. Der Kreativität und dem Hörvergnügen kann es nur dienlich sein. Um es auf den Punkt zu bringen: Das Album ist super gelungen!

Tracklist:

CD: 1

01. Gen Siebenbyrgen
02. Hundertdreyssig
03. Nemo
04. Die tanzende Schlange
05. Blindflug
06. Lunas Traum
07. Hexe & Halunken
08. Legenden
09. König und Bettler
10. Irrlichter (Harpyie, Krins, Johanna Sophie & Bannkreis)

Disk: 2

01. Die Glorreichen Sieben (Harpyie, Feuerschwanz,Tanzwut, Nachtgeschrei & Vogelfrey)
02. Löwenherz (Akustik Version)
03. Elisa (Subway To Sally Remix) (Harpyie, Michael Simon)
04. Twoface (Soulbound Remix)
05. Karneval der Kreaturen (Orchestral Remix)
06. Schöne neue Welt (Harpyie. Dahn, Robert / Equilibrium)

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VÖ: 26.01.2018
Genre: Mittelalter/Folkmetal
Label: Metalville

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