Eisfabrik – Null Kelvin (CD-Review)

Nach der erfolgreichen Veröffentlichung ihres Albums „Achtzehnhundertunderfroren“, welches im November 2016 über NoCut erschien, tourten EISFABRIK im Januar/Februar hierzulande durch sieben große Städte und hatten dabei nicht nur ihre neuen Songs, sondern auch noch als Special Guest Dirk Scheuber (Project Pitchfork) mit seinem Soloprojekt Scheuber und die Dark Electro/EBM-Band evo-lution, mit im Gepäck. Es folgte ein grandioser Auftritt beim diesjährigen Amphi Festival in Köln, von dem sie selbst völlig überwältigt waren. Passend zu den düsteren, kalten Tagen kehren die drei Eisfabrikanten nun von ihrem Eisplaneten auf die Erde zurück, um die Szene erneut mit einer Mischung aus modernem Elektro mit clubtauglichem Synthie- und Future- pop, elektronisch unterkühlte Visualisierungen so richtig gefrieren zu lassen. „Null Kelvin“ so lautet der Titel des neuen, vierten Studioalbums, das 13 brandneue Stücke umfasst und am 24. November 2017 über NoCut auf den Markt kommt.

Willkommen auf der Eisstation von Eisfabrik: „Sein erstes Lied“ bringt uns auf Betriebs- temperatur Richtung Null Kelvin, dem absoluten Nullpunkt. Die Farben erstarren, der Atem gefriert. „Shadows“ ist ein wundervoll unterkühlter Track für die Tanzfläche, der durch die ungewöhnliche Harmoniefolge bezaubert. Das bohrt sich ins Ohr, dass man kaum zu atmen wagt. Dramatischer ist „Soon Enough“. Hier wird mit einem, fast klassisch zu nennenden, harten Elektrosound aufgewartet, der mit Synthiestreichern unterlegt wird: eine recht düstere Nummer, die die gefühlte Temperatur locker noch ein paar Kelvin runterdrückt. „The Choice“ geht beatmäßig ab und besticht zunächst durch kühlen Technik-Sound. Der Refrain lässt aber dann doch die Sonne aufgehen mit einem Blinzeln in Richtung Future Pop. Wer schon mal einen „Schneemann“ baute, baute sich ein Ebenbild aus Schnee. Mit einer großen Portion Future Pop wird dieses Thema sehr eingängig in Szene gesetzt und mit vielen außergewöhnlichen Sounds gespickt: eine tolle Komposition. Eines der wenigen Titel in deutscher Sprache. Kristallklare Glockentöne leiten „White-Out“ ein. Etwas gemäßigter im Tempo, drängt dieser Titel trotzdem nach vorn und hat ange- deutete rockigere Klänge. „Brother“ erzeugt im tiefen Bereich einen druck-vollen Bass und will schnell wieder in den Tanzbereich. Melancholische Harmonien plus die industriellen Klänge verbreiten extrem unterkühltes Ambiente. Eine tolle druckvolle Nummer. Auch mit „Too Many Miles“ lassen sie einen nicht vom Eishaken. Der Gesang hat die leichte Charakteristik einer Rockröhre in der Strophe. Wie sollte einem bei diesem Titel Frost überkommen? Sehr ruhig und getragen folgen wir dem Licht „Follow The Light“. Schließ die Augen und lass Dich treiben. Dieses schwebende Gefühl hat ein Ende bei den industrial Klängen von „Payback“, das sehr hart und bedrohlich Druck macht. Doch plötzlich löst sich das Bedrohliche auf in weiche Harmonien und die Atmosphäre wird fast fröhlich. Ein sehr spannender Titel mit Überraschungseffekt, der mit gegensätzlichen Stimmungen spielt. „Still Alive“ ist eine schöne Elektro-Nummer mit Future Pop Elementen, die von einem Sound charakterisiert wird, der sich anhört, als ob einer auf ein Fass oder Ähnliches schlägt — faszinierend. Schnell schüttelt sich „No Time For Regret“ den Frost aus dem Eisbären- fell und entführt uns mit technischer Kühle auf die Tanzfläche. Zum Schluss das Beste: „Sein letztes Lied“. Das melancholische Outro in deutscher Sprache wurde wundervoll bombastisch und emotional berührend umgesetzt. Es hebt sich in seiner Art etwas von den restlichen Titeln ab und das nicht allein wegen der Sprache, sondern weil hier noch viel mehr Klangbilder umgesetzt wurden, die hier in ihrer langsamen Dramatik Wirkung zeigen und beim Hören tief in die Emotionen hinabtauchen. Einfach grandios!

Fazit: Eisfabrik als Kunstprojekt hat ein grundlegendes Konzept, wie es gefühlsmäßig zu klingen und optisch zu wirken hat. Die Maßeinheit Kelvin als Thema ist stilistisch interes- sant gewählt, da Kelvin sowohl die Temperatur als auch die Farbtemperatur misst. Auf diesem Album wird die „emotionale“ Temperatur der Musik und deren unterkühlten Ästhetik auf den absoluten Nullpunkt gebracht. Null Kelvin ist der absolute Tiefpunkt — kälter geht es nicht und das auch nur in der Theorie. Eisfabrik geht also ganz tief runter mit der Temperatur und zeichnet in ihrer Fabrik synästhetisch eine frostige Welt aus den Klängen der Farbe des Eises. Mit scheinbar leichter Hand gelingt es den drei Eisfabrikanten die Symbiose aus Unterkühltheit und schweißtreibenden Beats. Viele tanzbare Nummern wollen auf der Tanzfläche zelebriert werden und bestechen durch ausgeklügelte Sound- tüfteleien. Auch immer wieder hinreißend ist der Spannungsbogen zwischen unterschied- lichen Gefühlen von emotionaler Kühle und hoffnungsvollen Harmonien. Warten wir mit Eisfabrik auf Schnee und Eis und genießen dabei vor dem geistigen Auge die tanzenden Flocken. Nie war Kälte so heiß und Gänsehaut so angenehm wie mit Eisfabrik.

Tracklist:

01. Sein Erstes Lied
02. Shadows
03. Soon Enough
04. The Choice
05. Schneemann
06. White Out
07. Brother
08. Too Many Miles
09. Follow The Light
10. Payback
11. Still Alive
12. No Time For Regret
13. Sein Letztes Lied

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VÖ: 24.11.2017
Genre: Electronic / Futurepop
Label: NoCut

Eisfabrik im Web:

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